Ein jeder Klickt und klickt, liest und liest, hört und hört, sieht und sieht. Medien. Information. Dauerrausch. Wir verlieren uns in Bilderfluten und Sprachgebölke. Der Turmbau zu Babel könnte zum Sinnbild gegenwärtiger Medienkultur werden, in dem keiner mehr einander versteht im endlosen Gemurmel. Ist Babylon Verderb und Ausweg zugleich, wie Lorenz Engell konstatiert? Was tun? Unterbrechen, pausieren, durchatmen, sagt Köhler und sieht die Möglichkeit in einem kleinen Gedicht: „In dieser Situation stellt das Gedicht eine Unterbrechung dar. Das Gedicht unterbricht für einen Augenblick das ewige Weiterreden. Es ermöglicht ein Atemholen – vielleicht sogar einen Moment der Wahrheit und der Selbsterkenntnis. Insofern ist es eine wunderbare List, dass durch lyrikline ausgerechnet im vielleicht geschwätzigsten Medium das gelesene Gedicht diese Unterbrechung, dieses Atemholen ermöglichen kann. Man hat mir gesagt, dass die meisten Aufrufe wohl während der Mittagspause stattfinden – also dann, wenn die Menschen eine Unterbrechung brauchen – und sich dabei buchstäblich auf einen Gedankenausflug bringen lassen möchten.“ Mahnt Köhler nicht geschickt, genauer hinzuschauen? Den kleinen Dingen Aufmerksamkeit zu schenken? Das ist keine Zerstreuung, die er propagiert, er mahnt eher zur Kontemplation, ja sogar zur Konzentration. Man darf nicht müde werden, die Vielfalt als Chance zu sehen. Wenn Hingabe in Auseinandersetzung mündet, haben auch neue Medien ein gutes Werk getan. Dann ist die Hingabe nicht Orientierungslosigkeit, sondern gut begründet.
Montag, 9. November 2009
Medien. Information. Dauerrausch(en)
Ein jeder Klickt und klickt, liest und liest, hört und hört, sieht und sieht. Medien. Information. Dauerrausch. Wir verlieren uns in Bilderfluten und Sprachgebölke. Der Turmbau zu Babel könnte zum Sinnbild gegenwärtiger Medienkultur werden, in dem keiner mehr einander versteht im endlosen Gemurmel. Ist Babylon Verderb und Ausweg zugleich, wie Lorenz Engell konstatiert? Was tun? Unterbrechen, pausieren, durchatmen, sagt Köhler und sieht die Möglichkeit in einem kleinen Gedicht: „In dieser Situation stellt das Gedicht eine Unterbrechung dar. Das Gedicht unterbricht für einen Augenblick das ewige Weiterreden. Es ermöglicht ein Atemholen – vielleicht sogar einen Moment der Wahrheit und der Selbsterkenntnis. Insofern ist es eine wunderbare List, dass durch lyrikline ausgerechnet im vielleicht geschwätzigsten Medium das gelesene Gedicht diese Unterbrechung, dieses Atemholen ermöglichen kann. Man hat mir gesagt, dass die meisten Aufrufe wohl während der Mittagspause stattfinden – also dann, wenn die Menschen eine Unterbrechung brauchen – und sich dabei buchstäblich auf einen Gedankenausflug bringen lassen möchten.“ Mahnt Köhler nicht geschickt, genauer hinzuschauen? Den kleinen Dingen Aufmerksamkeit zu schenken? Das ist keine Zerstreuung, die er propagiert, er mahnt eher zur Kontemplation, ja sogar zur Konzentration. Man darf nicht müde werden, die Vielfalt als Chance zu sehen. Wenn Hingabe in Auseinandersetzung mündet, haben auch neue Medien ein gutes Werk getan. Dann ist die Hingabe nicht Orientierungslosigkeit, sondern gut begründet.
Donnerstag, 29. Oktober 2009
Ein überfälliges Internet-Manifest
Das Internet-Manifest wird nachfolgend in voller Länge „abgedruckt“:
Internet-Manifest
Wie Journalismus heute funktioniert. 17 Behauptungen.
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1. Das Internet ist anders.
Es schafft andere Öffentlichkeiten, andere Austauschverhältnisse und andere Kulturtechniken. Die Medien müssen ihre Arbeitsweise der technologischen Realität anpassen, statt sie zu ignorieren oder zu bekämpfen. Sie haben die Pflicht, auf Basis der zur Verfügung stehenden Technik den bestmöglichen Journalismus zu entwickeln - das schließt neue journalistische Produkte und Methoden mit ein.
2. Das Internet ist ein Medienimperium in der Jackentasche.
Das Web ordnet das bestehende Mediensystem neu: Es überwindet dessen bisherige Begrenzungen und Oligopole. Veröffentlichung und Verbreitung medialer Inhalte sind nicht mehr mit hohen Investitionen verbunden. Das Selbstverständnis des Journalismus wird seiner Schlüssellochfunktion beraubt - zum Glück. Es bleibt nur die journalistische Qualität, die Journalismus von bloßer Veröffentlichung unterscheidet.
3. Das Internet ist die Gesellschaft ist das Internet.
Für die Mehrheit der Menschen in der westlichen Welt gehören Angebote wie Social Networks, Wikipedia oder Youtube zum Alltag. Sie sind so selbstverständlich wie Telefon oder Fernsehen. Wenn Medienhäuser weiter existieren wollen, müssen sie die Lebenswelt der Nutzer verstehen und sich ihrer Kommunikationsformen annehmen. Dazu gehören die sozialen Grundfunktionen der Kommunikation: Zuhören und Reagieren, auch bekannt als Dialog.
4. Die Freiheit des Internet ist unantastbar.
Die offene Architektur des Internet bildet das informationstechnische Grundgesetz einer digital kommunizierenden Gesellschaft und damit des Journalismus. Sie darf nicht zum Schutz der wirtschaftlichen oder politischen Einzelinteressen verändert werden, die sich oft hinter vermeintlichen Allgemeininteressen verbergen. Internet-Zugangssperren gleich welcher Form gefährden den freien Austausch von Informationen und beschädigen das grundlegende Recht auf selbstbestimmte Informiertheit.
5. Das Internet ist der Sieg der Information.
Bisher ordneten, erzwungen durch die unzulängliche Technologie, Institutionen wie Medienhäuser, Forschungsstellen oder öffentliche Einrichtungen die Informationen der Welt. Nun richtet sich jeder Bürger seine individuellen Nachrichtenfilter ein, während Suchmaschinen Informationsmengen in nie gekanntem Umfang erschließen. Der einzelne Mensch kann sich so gut informieren wie nie zuvor.
6. Das Internet verändert verbessert den Journalismus.
Durch das Internet kann der Journalismus seine gesellschaftsbildenden Aufgaben auf neue Weise wahrnehmen. Dazu gehört die Darstellung der Information als sich ständig verändernder fortlaufender Prozess; der Verlust der Unveränderlichkeit des Gedruckten ist ein Gewinn. Wer in dieser neuen Informationswelt bestehen will, braucht neuen Idealismus, neue journalistische Ideen und Freude am Ausschöpfen der neuen Möglichkeiten.
7. Das Netz verlangt Vernetzung.
Links sind Verbindungen. Wir kennen uns durch Links. Wer sie nicht nutzt, schließt sich aus dem gesellschaftlichen Diskurs aus. Das gilt auch für die Online-Auftritte klassischer Medienhäuser.
8. Links lohnen, Zitate zieren.
Suchmaschinen und Aggregatoren fördern den Qualitätsjournalismus: Sie erhöhen langfristig die Auffindbarkeit von herausragenden Inhalten und sind so integraler Teil der neuen, vernetzten Öffentlichkeit. Referenzen durch Verlinkungen und Zitate – auch und gerade ohne Absprache oder gar Entlohnung des Urhebers – ermöglichen überhaupt erst die Kultur des vernetzten Gesellschaftsdiskurses und sind unbedingt schützenswert.
9. Das Internet ist der neue Ort für den politischen Diskurs.
Demokratie lebt von Beteiligung und Informationsfreiheit. Die Überführung der politischen Diskussion von den traditionellen Medien ins Internet und die Erweiterung dieser Diskussion um die aktive Beteiligung der Öffentlichkeit ist eine neue Aufgabe des Journalismus.
10. Die neue Pressefreiheit heißt Meinungsfreiheit.
Artikel 5 des Grundgesetzes konstituiert kein Schutzrecht für Berufsstände oder technisch tradierte Geschäftsmodelle. Das Internet hebt die technologischen Grenzen zwischen Amateur und Profi auf. Deshalb muss das Privileg der Pressefreiheit für jeden gelten, der zur Erfüllung der journalistischen Aufgaben beitragen kann. Qualitativ zu unterscheiden ist nicht zwischen bezahltem und unbezahltem, sondern zwischen gutem und schlechtem Journalismus.
11. Mehr ist mehr – es gibt kein Zuviel an Information.
Es waren einst Institutionen wie die Kirche, die der Macht den Vorrang vor individueller Informiertheit gaben und bei der Erfindung des Buchdrucks vor einer Flut unüberprüfter Information warnten. Auf der anderen Seite standen Pamphletisten, Enzyklopädisten und Journalisten, die bewiesen, dass mehr Informationen zu mehr Freiheit führen - sowohl für den Einzelnen wie auch für die Gesellschaft. Daran hat sich bis heute nichts geändert.
12. Tradition ist kein Geschäftsmodell.
Mit journalistischen Inhalten lässt sich im Internet Geld verdienen. Dafür gibt es bereits heute viele Beispiele. Das wettbewerbsintensive Internet erfordert aber die Anpassung der Geschäftsmodelle an die Strukturen des Netzes. Niemand sollte versuchen, sich dieser notwendigen Anpassung durch eine Politik des Bestandsschutzes zu entziehen. Journalismus braucht einen offenen Wettstreit um die besten Lösungen der Refinanzierung im Netz und den Mut, in ihre vielfältige Umsetzung zu investieren
13. Im Internet wird das Urheberrecht zur Bürgerpflicht.
Das Urheberrecht ist ein zentraler* Eckpfeiler der Informationsordnung im Internet. Das Recht der Urheber, über Art und Umfang der Verbreitung ihrer Inhalte zu entscheiden, gilt auch im Netz. Dabei darf das Urheberrecht aber nicht als Hebel missbraucht werden, überholte Distributionsmechanismen abzusichern und sich neuen Vertriebs- und Lizenzmodellen zu verschließen. Eigentum verpflichtet.
*) Stilblüten-Alarm aufgehoben
14. Das Internet kennt viele Währungen.
Werbefinanzierte journalistische Online-Angebote tauschen Inhalte gegen Aufmerksamkeit für Werbebotschaften. Die Zeit eines Lesers, Zuschauers oder Zuhörers hat einen Wert. Dieser Zusammenhang gehört seit jeher zu den grundlegenden Finanzierungsprinzipien für Journalismus. Andere journalistisch vertretbare Formen der Refinanzierung wollen entdeckt und erprobt werden.
15. Was im Netz ist, bleibt im Netz.
Das Internet hebt den Journalismus auf eine qualitativ neue Ebene. Online müssen Texte, Töne und Bilder nicht mehr flüchtig sein. Sie bleiben abrufbar und werden so zu einem Archiv der Zeitgeschichte. Journalismus muss die Entwicklungen der Information, ihrer Interpretation und den Irrtum mitberücksichtigen, also Fehler zugeben und transparent korrigieren.
16. Qualität bleibt die wichtigste Qualität.
Das Internet entlarvt gleichförmige Massenware. Ein Publikum gewinnt auf Dauer nur, wer herausragend, glaubwürdig und besonders ist. Die Ansprüche der Nutzer sind gestiegen. Der Journalismus muss sie erfüllen und seinen oft formulierten Grundsätzen treu bleiben.
17. Alle für alle.
Das Web stellt eine den Massenmedien des 20. Jahrhunderts überlegene Infrastruktur für den gesellschaftlichen Austausch dar: Die “Generation Wikipedia” weiß im Zweifel die Glaubwürdigkeit einer Quelle abzuschätzen, Nachrichten bis zu ihrem Ursprung zu verfolgen und zu recherchieren, zu überprüfen und zu gewichten – für sich oder in der Gruppe. Journalisten mit Standesdünkel und ohne den Willen, diese Fähigkeiten zu respektieren, werden von diesen Nutzern nicht ernst genommen. Zu Recht. Das Internet macht es möglich, direkt mit den Menschen zu kommunizieren, die man einst Leser, Zuhörer oder Zuschauer nannte - und ihr Wissen zu nutzen. Nicht der besserwissende, sondern der kommunizierende und hinterfragende Journalist ist gefragt.
Internet, 07.09.2009
- Markus Beckedahl
- Mercedes Bunz
- Julius Endert
- Johnny Haeusler
- Thomas Knüwer
- Sascha Lobo
- Robin Meyer-Lucht
- Wolfgang Michal
- Stefan Niggemeier
- Kathrin Passig
- Janko Röttgers
- Peter Schink
- Mario Sixtus
- Peter Stawowy
- Fiete Stegers
Wer dabei mithelfen möchte, diesen Text weiterzuentwickeln, kann das gerne hier tun.
[Update: ] Nachgereichter Beipackzettel von Stefan Niggemeier
Montag, 19. Oktober 2009
Frankfurter Buchmesse: Angst vor dem E-Book
Auf der ersten „Tools of Change“ (TOC-) Konferenz am Rande der Frankfurter Buchmesse, auf der unter der Schirmherrschaft von Web 2.0-Erfinder Tim O´Reilly über die Digitalisierung des Buches diskutiert wurde, lautete denn auch die zentrale Botschaft: We just don´t know. Es gibt bislang noch keine Zahlen über einscannte Buchtitel, illegale Downloads und vor allem über deren Auswirkungen auf das traditionelle Buchgeschäft. Und zum Zahlenmangel gesellt sich der Erfahrungsmangel. Wie wird sich das E-Book entwickeln, welches Standartformat wird sich etablieren, welches Lesegerät wird sich durchsetzen, und gibt es in Europa überhaupt einen Markt für das elektronische Buch, eine Leserschaft, die wie in den USA ihr Geld auch für E-Books auszugeben bereit ist? Wie bereits erwähnt, sind 65.000 hierzulande verkaufte E-Books nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Die zentrale Frage muss lauten: Wie kann man potentielle Käufer für das Medium E-Book nicht nur gewinnen, sondern sie auch begeistern: Ein paar Punkte könnten etwa sein: 1. Das E-Book auf dem Reader gelesen, vergilbt, verknickt, verblasst nicht. Es ist dauerhaft archivierbar. Sofern eine sichere Datenhaltung garantiert ist. 2. Es kann auf dem beleuchteten Display vielleicht komfortabler gelesen werden, als ein Buch im Halbdunkel des Zuges. Die Taschenlampe unter der Bettdecke hat also ausgedient. 3. Der Reader ist leichter als das Buch. Und er beherbergt nicht nur ein einzelnes Buch, sondern hat Platz für eine ganze Bibliothek. Das Bestreben, das gesamte Weltwissen portabel zu machen, trägt die ersten Früchte. Die Hochleistungsscanner von Google laufen auf Hochtouren. Die Anwälte und Verlagschefs geben sich millionenfach die Klinke in die Hand. 4. E-Books sind größtenteils günstiger als gedruckte Bücher und könnten so mehr Käufer anlocken. 5. Sie könnten zudem attraktiver sein, wenn die Verlage – wie bei DVDs - Bonusmaterial zusätzlich anbieten würden. 6. Schließlich trägt der Reader multimedialen Anforderungen Rechnung, und kann Text ebenso wie Hörbücher und Bildmaterial abspielen. So könnte Lesen in Zukunft zu einem multimedialen, alle Sinne ansprechenden Erlebnis werden, wenn man seine Vorteile in einer digitalen Leseumgebung zu nutzen weiß. In diesem Zirkus sind alle Akteure gefragt: Verleger, Politiker, Juristen, Marketingstrategen, Programmierer, Wissenschaftlicher, Psychologen… und schließlich die Leser selbst. Bleibt nur zu hoffen, dass Apple und Konsorten nicht auch noch einen Reader mit Telefonfunktion auf den Markt werfen. Das würde auch dem E-Book schon den Garaus machen, bevor es sich etabliert hat.
Freitag, 16. Oktober 2009
Die FDP und ihr gefährliches Spiel mit der Freiheit
Mittwoch, 14. Oktober 2009
Obama´s Welt: Kleiner Preis für große Visionen
Die Rhein-Zeitung titelt "Nobelpreis für Obamas Traum vom Frieden", die Süddeutsche nennt ihn den "Nobelpreis für die Hoffnung". Kommentatoren und Kritiker sind sich einig: Der vom Nobel-Komitee in Oslo verliehene Friedensnobelpreis an US-Präsident Barack Obama ist verfrüht verliehen worden und gilt als Vorschusslorbeer. Nicht einig sind sich erwartungsgemäß Demokraten und Republikaner. Während die einen laut jubeln und ihren Präsidenten in den Himmel loben, sprechen die anderen von einer unverdienten Auszeichnung, Obama müsse seinen Worten erst noch Taten folgen lassen. Beide Positionen haben einen wahren Kern. Alfred Nobel hat in seinem Testament ausdrücklich die Friedensbemühungen als preiswürdig festgelegt. Und bei aller Kritik und Polemik: Obama hat die Welt bereits verändert, hat sie bereits ein Stück weit verbessert. Seine Bestrebungen, der islamischen Welt die Hand zu reichen, Verhandlungen zwischen Israel und Palästina zu beeinflussen, sowie Gespräche über eine weltweite atomare Abrüstung zu führen, sind nicht selbstverständlich. Vor allem nicht in dieser Schnelligkeit, Stringenz und rhetorischen Sorgfalt. Schon unmittelbar nach seinem Amtsantritt im Januar 2009 bereiste er die Krisenherde der Welt und mimte den verständnisvollen, feinfühligen Zuhörer. Als konsequenter Zupacker hat sich der mächtigste Mann der Welt indes noch keinen Namen gemacht. Auch wenn die Raketenstellungen in Russland aufgegeben wurden, müssen Atomabrüstungsprogramme erst noch auf den Weg gebracht werden. Der ehrenwerte – und längst überfällige - Vorsatz, gemeinsam mit China die Emmissionsraten entscheidend zu senken, muss denn auch verbindlich in Schriftform festgelegt und schlussendlich befolgt werden, damit Klimapolitik keine Klimarhetorik bleibt. Und auch wenn Obama die Bankentransparenz fordert und größeren staatlichen Einfluss auf den amerikanischen Geldmarkt nehmen will, war er in Sachen Manager-Boni auf dem Wirtschaftsgipfel in Pittsburgh nicht gänzlich auf die Linie der Bundesregierung zu bringen. Seine ersten Dämpfer hat Obama ausgerechnet bei innenpolitischen Problemfeldern erhalten. Sein Großprojekt einer einheitlichen Gesundheitsreform, die allen Bürgern eine Krankenversicherung garantieren soll, hat nach harscher Kritik und Straßenprotesten eine wichtige Abstimmungsrunde im Kongress mit 14 gegen 9 Stimmen genommen. Dennoch sind Nachbesserungen und reformferne Zugeständnisse unumgänglich, um eine Beschlussfähigkeit zu erreichen. In der Rassismusdebatte kommt Obama bislang keinen nennenswerten Schritt voran.
Besonders die innenpolitische Realität beweist, dass Obama nicht der Messias ist, für den ihn anfangs die Medien gehalten haben, und jetzt das Nobel-Komitee hält. Nun ist die messianische Erwartungshaltung offiziell verankert. Und es scheint gar, als versuche man der Heilsbringungen einen kleinen Schups geben zu wollen, die Erfüllung ein bisschen voranzutreiben. So funktioniert natürlich keine Politik. Weder zu Helmut Schmidts Zeiten, dessen Annäherungsversuche an die Ostblockstaaten 1971 ebenfalls geehrt worden waren, bevor er überhaupt Taten folgen ließ, noch zu Obamas Zeiten. Obama selbst muss den Preis als Bürde sehen, die nun auf ihm lastet. Allerdings ist er Profi genug, sich nicht beeinflussen oder lenken zu lassen. Er verfolgt eine klare Linie und nimmt einen kleinen Preis am Wegesrand gerne dankend in Empfang. Die Probleme löst dieser Preis alleine nicht. Und Obamas Motivation wird er nicht steigern. Ohnehin macht Obama immer wieder deutlich, dass nicht er alleine globale Konflikte lösen kann, sondern dass nur eine Zusammenarbeit aller Staatenführer und Länder zum Ziel führen kann. Auch wenn der Preis den USA eine Vormachtstellung bescheinigt, so ist sich Obama bewusst, dass er auf Verbündete angewiesen ist. Seine Politik des Miteinanders wiegt mehr als ein One-Man-Preis. Angesichts ernsthafter globaler Krisen wirkt eine „Auszeichnung“ ohnehin perfide. Obama hat alle Hände voll zu tun. Gerade tagte er im „Situation Office“ mit seinen Beratern, um über eine Aufstockung der Soldaten in Afghanistan zu beraten. Nach dem erschreckenden Bericht des Kommandanten der US-Soldaten General McChrystal ist diese zwingend erforderlich, um der wachsenden Bedrohung durch die Taliban Einhalt zu gebieten. Im Gespräch ist eine Aufstockung von bis zu 40.000 US-Soldaten. Kritiker befürchten, dass dennoch keine Verbesserung der Lage zu erwarten sei. Es wird gar von einem zweiten Vietnam gesprochen. Ob Obama also ein würdiger Preisträger ist, bzw. ob er überhaupt ein würdiger Preisträger sein kann, wird er – wie im Falle der Atomabrüstung und auch der Weltbefriedung - nicht einmal beweisen können. So gerne er es würde. Und so scheint dieser Preis selbst, so aufrüttelnd er ist, nichts weiter zu sein als eine gut gemeinte aber schlecht durchdachte Utopie.
Mittwoch, 30. September 2009
Bundestagswahl 2009: Farben, Fallen und die FDP
Jetzt erleben wir fast demütig den Niedergang der SPD. Tigerenten und Biene-Mayas, welche den Abgeordneten unbeschwerte Kindheiten bescherten, werden ihnen im Alter zu Ikonen des Scheiterns, ja, zu Symbolen des Schreckens, zum Damoklesschwert der Politik. Und das gerade in wirtschaftlichen Krisenzeiten, in denen Arbeitsplatzverlust und soziale Ungerechtigkeit das Tagesgeschehen bestimmen. Die Wahl hat gezeigt: Die Menschen im Land dürsten nach zuverlässigen Werten, nach einer starken Hand, die gleichzeitig zupacken kann und einfach nur schützend über den Köpfen schwebt. Das ist sie die bürgerliche Hand, die sich versucht auf die Mitte zu zu bewegen. Das wird ihr gelingen, wenn sie sich jetzt nicht an Sondierungsgesprächen – auch auf NRW-Ebene – festbeißt und dem kindischen Farben- und Bilderspiel (schwarz-gelb, rot-rot, grün,/Jamaika, Ampel, Tigerente…) gut durchdachte und nachhaltige Inhalte entgegen setzt. Die Zeiten sind ernst. Nicht gegeneinander, sondern Miteinander muss die Devise lauten. Krisen bewältigt man nur mit vereinten Kräften. Es gibt viel zu tun für Merkel und Westerwelle! Der Wähler hat entschieden. Packen Sie es an!
Freitag, 18. September 2009
Harald Schmidt: Der Großmeister ist zurück!
Folgt nach Kachelmann in Zukunft der neue Letterman? Der ARD-Wetterexperte überließ die Zuschauer in Schmidts Hände mit den Worten: "Ich kenne niemanden, der überhaupt noch mit Bart moderiert. Und wir hoffen alle, dass er sich rasiert hat", sagte einer, der selbst ob seines gesichtlichen Haarwuchses in kritisches Visier genommen worden ist. Fast demütig, devot, platzräumend brachte er den Satz: "Freuen Sie sich auf Harald Schmidt" über die Lippen. Der Großmeister der Anspruchs-Unterhaltung ist wieder da! Und was war das für ein Auftakt für eine Sendung, von der man nicht mehr viel
Überraschenderweise hielt er, was er
Dienstag, 15. September 2009
TV-Duell: "Wahlkampf für Kenner"
Freitag, 11. September 2009
Killerspiele: Wie Gewalt im Kopf entsteht
Da wurde so lange von „Wiederaufbauhilfe“ statt von „Krieg“ gesprochen und jetzt das. Über 50 Zivilisten könnte die Deutsche Bundeswehr in Afghanistan auf dem Gewissen haben, weil sie einen Befehl zum Luftangriff auf zwei von den Taliban belagerten Tanklastern gegeben hat. Die darauf gefolgte Abwiegelungstaktik von Bundesverteidigungsminister Franz-Josef Jung gleicht einer Farce. Wiederholt äußerte er, dass sich keine Zivilisten unter den Opfern befunden hätten. Man fragt sich, wie es dem Oberbefehlshaber (und dann auch Jung) möglich gewesen ist, Zivilisten von Taliban-Kämpfern zu unterscheiden, wo letztere eben nicht in Kriegsmontur sondern bewusst zivil zu Felde ziehen. Noch dazu geschah der Angriff in nächtlicher Dunkelheit, nicht etwa am Tag. Seine Tage im Amt sind jedenfalls gezählt. Und es besteht kein Zweifel: Es ist Krieg in Afghanistan. Und die Deutsche Bundeswehr ist mitten drin als zweit wichtigster Akteur im Kampf gegen den Terror. Denn „Wiederaufbauhilfe“ ist zugleich „Gewaltabbauhilfe“. Dass die Taliban westliche Demokratiesemantik nicht versteht, dürfte klar sein. Mit der Sprache der Waffen begegnet man den Taliban-Milizen dagegen auf Augenhöhe. Und das ist das Mindeste, was man tun muss. Zivilisten zu schützen muss aber Vorrang haben – noch dazu in diesem als “sauber“ deklarierten Krieg, in dem modernste Luftabwehr-, Aufklärungs- und Raketensysteme im Einsatz sind, die an Treffsicherheit Vietnam- und Golfkrieg in den Schatten stellen sollen.
Krieg findet aber nicht nur draußen, sondern auch in heimischen Wohn-, besser Kinderzimmern statt. Killerspiele schimpfen sich virtuelle Plattformen - mit zunehmendem Live-Charakter dank Internet-Direktübertragung und weltweiter Vernetzung der Spieler - auf denen Krieg simuliert wird. Er wird sogar sprichwörtlich in die Hand genommen: Am eigenen Joystick. Nicht erst nach den jüngsten Amokläufen - Erfurt (2002) und Winnenden (März 2009) wurde darüber spekuliert, ob eine Korrelation zwischen Spielekonsum und Amokverhalten besteht.
Dienstag, 25. August 2009
Quentin Tarantino´s Rache an der Wirklichkeit
Und so sind die Filme Tarantinos nicht bloß eine Aneinanderreihung von Filmzitaten, was an sich schon künstlerisch sein kann. Indem er das Groteske der Wirklichkeit (ob vergangen oder gegenwärtig) an die Oberfläche holt, spielt und tanzt er mit ihr, dekonstruiert sie, gibt ihr eine neue Stoßrichtung, entlarvt sie und gibt sie nicht selten der Lächerlichkeit preis. So geschehen im aktuellen Werk „Inglorious Basterds“, in dem es ein Mal mehr um die scheußliche Niedertracht der Nazi-Zeit geht. Doch diesmal machen die Juden Jagd auf die Nazis. Tarantinos Wirklichkeit ist eine andere – und vielleicht zeigt sie ein neues Gesicht der Geschichte. „Tarantino bietet uns eine neue Möglichkeit, die sogenannte Wirklichkeit zu betrachten, und eröffnet eine neue Perspektive auf die Welt – es ist der künstlerische Prozess schlechthin. Die Forschung bestätigt ja zunehmend, dass erst die Perspektive die Wirklichkeit bestimmt. Das ist die Quintessenz dessen, was Kino kann“, sagt Christoph Waltz im Interview. Tarantino selbst, der beim letzten Filmtake das Set aus Trauer vor dem Ende verlassen haben soll, zeugt Waltz Respekt: „Jeder ist anders, zu jeder Minute, und Tarantino kann sich auf jeden einstellen. Er weiß für jeden die richtige Stimmung, die richtigen Gründe, die richtige Kommunikation. Darin ist er ein linguistisches und kommunikatives Genie.“
Im Gegensatz zu anderen Filmdarstellungen der Nazi-Zeit wie bei der enttäuschend hollywoodesken „Operation Walküre“ geht es Tarantino eben nicht nur um die Darstellung, sondern um die narrative Annäherung an Geschichte, die in eben dem Moment des Films neu entsteht. "Inglorious Basterds" ist nichts anderes als Quentin Tarantinos Rache an der Wirklichkeit, ein Feldzug der Vergeltung. Christoph Waltz sagt zu "Operation Walküre": „Solche Filme sind nicht nur kein Kunstwerk, sie sind auch keine Geschichtsbetrachtung. Sie sind, im besten Fall, Unterhaltung. Dadurch entsteht keine Wahrheit, sondern Selbstgerechtigkeit. Wir erklären unsere Geschichte für erledigt, indem wir uns mithilfe solcher Authentizitätsversicherungen auf der richtigen Seite wähnen. Wir lassen die Wunde nicht mehr aufreißen."
Tarantino tut das. Und genau das ist die ganz große Leistung des Ausnahme-Regisseurs, der nicht zuletzt dem Kino selbst eine Wende, ein neues Denken abverlangt. 3D-Leinwände werden ihr Übriges tun. Schon jetzt werden Blockbuster dem Auge mehrdimensional präsentiert und die Filme so produziert, dass sich die 3D-Wirkung besonders eindrücklich zeigt. Nur hilft es nicht, wenn visuelle Dreidimensionalität eine künstlerische, narrative und dramaturgische Eindimensionalität kaschiert.
Donnerstag, 13. August 2009
Informationsfreiheit unter Staatskontrolle
Die Technik war der Gesetzgebung schon immer voraus – im Übrigen auch ihren Nutzern. Nur in einem sind die Regierungen schneller: „Die Schriftsteller können nicht so schnell schreiben, wie die Regierungen Kriege machen; denn das Schreiben verlangt Denkarbeit“, wusste schon Bertolt Brecht. Das Internet ist da, es wurde vom US-Militär mit dem Ziel der dezentralen Datenübertragung geschaffen, gerade damit uneingeschränkte Kommunikation möglich wird. Jetzt wird die Dezentralität zum Damoklesschwert, weil grenzübergreifende Gesetzgebung schwierig zu realisieren ist. Das Kind ist in den Brunnen gefallen. Es herauszuholen scheint zwecklos, denn das Wasser war tief.
Der Spiegel hat zweifellos recht, wenn er schreibt: „Längst ist das Internet ein Paralleluniversum. Die Refugien der Diebe, Rufmörder, Kinderschänder entziehen sich weitgehend der Kontrolle des Rechtsstaats. Nur einer transnationalen Instanz kann es gelingen, Ordnung zu schaffen. Das Ziel: die globale Netzdemokratie.“ Auch in diesem Punkt hat der Spiegel recht: „Während an der Oberfläche des digitalen Reichs tausend bunte Blumen blühen, Shopping, Chats, Schöngeistiges, wuchert im Wurzelwerk darunter ein Pilzgeflecht aus Intrigen, Täuschung und Terror.“. Indem das Netz die Freiheit der Welt vergrößert, bedroht es gleichsam ihren Frieden. Allerdings ist es falsch, die Oberfläche, die Gesellschaft dafür zu bestrafen. Indem man sie in ihren Grundrechten der Informationsfreiheit und der freien Meinung beschneidet, lenkt man das Augenmerk noch weiter weg vom Untergrund. Ihn gilt es zu observieren und auszuheben, mit modernster Technik zu sprengen. Gerade damit die Oberfläche weiß bleibt. Um dem neuen Zeitalter gerecht zu werden, bedarf es zwar auch ein neues Bewusstsein. Doch, statt zu denken, fällen die Verantwortlichen Entscheidungen in Form von Paukenschlägen, die doch nur Ausdruck ihrer Panik sind. Denken ist oberstes Gebot. Die Früchte heutiger Denkarbeit muss ausgefeilte Technik sein, gepaart mit didaktisch und medial vermittelten Bewusstseinsveränderungen. Eine präventive General-kriminalisierung kratzt hier nur an der Oberfläche! Ab in den Untergrund und rein ins kalte Brunnenwasser! Nur so würde das Übel an der Wurzel gepackt und die Freiheit gewahrt!
Sonntag, 9. August 2009
Obama´s Welt: Die demokratische Mission
Just als der frühere US-Präsident Bill Clinton mit den beiden frei gelassenen Journalistinnen den amerikanischen Boden betritt und seine „humanitäre Mission“ für erfolgreich erklärt, übernimmt Obama das Ruder, das ihm elegant, wie von Geisterhand übergeben wurde. Schluss mit dem „provokanten Verhalten“ verschärft er zusammen mit UN-Generalsekretär Ban Ki Moon den Ton und fordert neue Gespräche im Atomstreit mit Nordkorea. Dass sich Kim Jong Il dazu durchringen kann, gilt angesichts der strategischen Vorarbeit Clintons als immer wahrscheinlicher. Auch wenn Hillary Clinton noch mal ausdrücklich betonte, dass es keinen Zusammenhang zwischen der Freilassung der US-Journalistinnen und dem Thema Atomprogramm gebe. Auch für Nordkorea steht indes einiges auf dem Spiel. Das kommunistische Land könnte der internationalen Isolation entkommen, öffneten sie sich für neue Gespräche und ließen sie sich schließlich zu einem atomaren Abrüsten überreden. Das wiederum gilt angesichts der Reketen-Provokationen der vergangenen Monate als weniger wahrscheinlich. Die angestrebten Gespräche der USA sind zumindest ein Schritt in die richtige Richtung.
Unterdessen werden die Töne gegen den kürzlich vereidigten iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad erneut verschärft. Es scheint, als vergesse Obama seine eigenen Worte, wollte er ja vorbehaltlos auf den Iran zugehen. Doch sein neuerlicher Kurs zeigt nur, wie kritisch und komplex die Lage um einen möglichen Dialog mit dem Iran ist. Wie einen Schulterschluss mit Teheran eingehen, wenn der illegitime iranische Machthaber seine Tyrannei fortsetzt und regimekritische Demonstranten in einem zermürbenden Schauprozess zu mehrjährigen Haftstrafen, vielleicht sogar zur Todesstrafe verurteilen könnte. Kein Wunder also, dass die Iran-Politik des Weißen Hauses verwirrt. Vizepräsident Joe Biden würde sich einem israelischen Angriff auf die Atomanlagen Irans nicht in den Weg stellen, Außenministerin Hillary Clinton zeigte sich pessimistisch, dass Verhandlungen mit Teheran ohne Vorbedingungen erfolgreich sein würden, erst recht in Zeiten solch gravierender politischer Unruhen im Land. Es scheint fast so, als seien die Amerikaner nicht überzeugt davon, dass der Iran von seinen Atomplänen abrücken werde. Und das scheint angesichts der angespannten Weltlage genauso unwahrscheinlich wie das atomare Abrüsten Nordkoreas. Die Strategie Obamas zeichnet sich nur langsam ab, doch scheint es immerhin eine zu geben. Die lautet Annäherung ohne Vorbedingungen und ohne Verächtung der Vergangenheit bei gleichzeitiger Erhöhung des politischen Drucks bis hin zur Drohung von Militärschlägen. So muss Iran den Ernst der Lange erkennen und ihm gleichzeitig die Möglichkeit geboten werden, Verhandlungen führen zu können. Dennis Ross, der Iran-Beauftragte im Weißen Haus, der diesen „Hybrid-Ansatz“ schrieb in seinem Buch laut Süddeutsche Zeitung: Damit der Iran auch beim Einlenken sein Gesicht wahren könne, müsse er weiter Uran anreichern dürfen, jedoch unter strenger Überwachung. Diese Strategie scheint insofern sinnvoll, als dass gerade religiös motivierte Machthaber ihre eigene Menschenwürde nicht angetastet wissen wollen, obschon ihre Definition eine andere ist als die westliche.
Die US-Offerten Richtung Osten weiten sich schließlich auch auf China aus. Nur geht es hier weniger um sicherheitspolitische Interessen als um finanzielle. Bei keinem anderen Land stehen die USA so tief in der Kreide wie bei China. Angesichts einer Schuldenhöhe von mindestens 800 Milliarden Dollar können Menschenrechtsverletzungen schon mal bei Seite geschoben werden. Besser kleinlaut sein als vorlaut lautet hier die amerikanische Divise. Die weltpolitische Lage ist angespannter denn je. Machtstrategien kollidieren mit Friedensbemühungen, finanzielle Abhängigkeiten gerade in Zeiten der Krise verengen den politischen Handlungsspielraum. Die USA um Präsident Obama verhalten sich richtig. Wie eine kluge Raubkatze beobachten sie leise ihre Beute, die wenn sie schlau genug ist, nicht am Entkommen gehindert wird. Obama scheint bereit, aus seinen Worten auch Kampfansagen zu machen, wenn es sich nicht vermeiden lässt. Die Gegenseiten sind am Zug!
Donnerstag, 6. August 2009
Obama´s Welt: Ein amerikanischer Traum für alle
Ein zweites Projekt bringt Obama auf den amerikanischen Boden der Tatsachen: Die Rassismus-Debatte. „Legt die Xbox weg“, riet der Präsident vor wenigen Tagen den Schwarzen Amerikas. Afro-Amerikaner sollten ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen um gesellschaftlich aufzusteigen. "Machen wir uns nichts vor: Die Schmerzen der Diskriminierung sind in Amerika noch immer zu spüren", sagte der erste schwarze US-Präsident zum 100-jährigen Bestehen der Bürgerrechtsorganisation NAACP. Es war die erste große Rede zum Thema Rassendiskriminierung seit seiner Amtsübernahme im Januar. Und sie beweist, dass Obama auch seinen Regierboden nicht aus den Augen verliert – nicht aus den Augen verlieren darf. So will er die Bildungschancen für Schwarze verbessern um ihnen auf dem Arbeitsmarkt die Kluft zwischen Weiß und Schwarz zu verkleinern und findet wie immer wirkungsvolle Worte: „Der amerikanische Traum muss für alle gelten.“ Ein Satz, der wahrlich auch zur Gesundheitsreform passt. Dabei seien auch die Eltern aufgerufen. Sie sollen "die X-Box weglegen und ihre Kinder zu einer vernünftigen Zeit ins Bett bringen". Der Präsident verwies in der Rede natürlich auf seine eigene Biografie. "Ich komme nicht aus einem reichen Haus", sagte Obama, dessen Mutter alleinerziehend war. "Ich hatte einigen Ärger als Kind. Mein Leben hätte leicht in die falsche Richtung gehen können. Aber meine Mutter hat mir Liebe gegeben, sie hat für meine Bildung gesorgt. Dank ihr hatte ich die Chance, das Beste aus meinen Fähigkeiten zu machen." Obama wirkt glaubwürdig. Und mit dem Glauben lässt sich ja bekanntlich...
Mittwoch, 1. Juli 2009
Die verblasste Ikone oder: Das System "Michael Jackson"
Er versuchte der Mühsahl dieser genialistischen wie tragischen "Systematik" zu entrinnen, und wo er den Ausweg aus einem zermürbenden Starsein suchte, antwortete er mit Verve und Progression. Was er fand, war nur eine neue Ausfahrt nach Babylon. Erkaufte Kinderliebe mündete in Missbrauchs-Verdachtsfälle. Es mag der Wunsch nach Menschlichkeit, Nächstenliebe, Zuneigung, nach Unschuld und Neutralität gewesen sein. Und ungeachtet der Tatsache, dass die Eltern leichtes Spiel hatten, gehören kleine Kinder nicht in große Betten, da kann das Spiel noch so herzlich gemeint sein. Und dass es zum Austausch von „Zärtlichkeiten“ (welcher Form auch immer) gekommen ist, darüber besteht fast kein Zweifel. Michael Jackson ist nicht nur der Held, als den ihn jetzt gerne alle hochhalten, auf ihm lastet auch ein Geheimnis. Es ist diese Dichotomie aus Heldentum und Mysterium, aus (Musik)-Genie und (OP)-Wahnsinn, die Michael Jackson auch posthum so undurchsichtig macht. Da fällt es schwer, sich auf eine Seite zu schlagen. Er war wohl so wenig tadellos wie es der Mensch per se auch ist. Mit dem Unterschied, dass Jackson bei seinem Tod kein Mensch mehr war. Geistähnlich ist er abgetreten. Die 50 geplanten Konzerte in London hätte er vielleicht nie bestreiten können - wollte er vielleicht auch nie. Was letztlich zu seinem Tod führte oder nicht, er war verblasst. Sein Tod dürfte nicht verwundern. Vielmehr war er zu erwarten.
Zu Lebzeiten hat der (im Übrigen selbsternannte) „King of Pop“ mehr Platten verkauft, als je ein Künstler vor ihm, und als je wieder ein Musiker verkaufen wird – so die Prophezeiungen. Wenige Tage nach seinem Tod belegen seine Platten die ersten 10-20 Plätze in den Verkaufslisten von Amazon und iTunes. Media Control verzeichnet derzeit die meisten Plattenverkäufe, die jemals in einem so kurzen Zeitraum verbucht wurden. Die CD-Regale in den Kaufhäusern sind wie leer gefegt. Auf Bestellungen müssen Kunden mit zwei Wochen Wartezeit rechnen. Gerade erleben wir den Reboot des „MJ“-Systems. Seine Meriten sind unanfechtbar. Zweifellos hat es die Medienkultur geprägt, hat es die Ästhetik von Pop-Musik und Videoclips entscheidend mitbestimmt, hat es gezeigt, wie Marketing-Strategien funktionieren und wie elementar Disziplin und Perfektionismus im Künstlergeschäft sind. Doch die Niedertracht der Welt konnte es nicht besiegen, ironischerweise ist sie Teil von Michael Jackson selbst geworden. Die Nachwelt wird von „MJ“ lernen, und sie lernt auch, wie unberechenbar, verwundbar, unhuman, fatal und tragisch ein System sein kann, wenn es erstmal ein Eigenleben entwickelt hat. Ein eben solches hätte man dem Menschen Michael Jackson nur wünschen können! Dann würde er noch leben!