Mittwoch, 14. Oktober 2009

Obama´s Welt: Kleiner Preis für große Visionen

Die Rhein-Zeitung titelt "Nobelpreis für Obamas Traum vom Frieden", die Süddeutsche nennt ihn den "Nobelpreis für die Hoffnung". Kommentatoren und Kritiker sind sich einig: Der vom Nobel-Komitee in Oslo verliehene Friedensnobelpreis an US-Präsident Barack Obama ist verfrüht verliehen worden und gilt als Vorschusslorbeer. Nicht einig sind sich erwartungsgemäß Demokraten und Republikaner. Während die einen laut jubeln und ihren Präsidenten in den Himmel loben, sprechen die anderen von einer unverdienten Auszeichnung, Obama müsse seinen Worten erst noch Taten folgen lassen. Beide Positionen haben einen wahren Kern. Alfred Nobel hat in seinem Testament ausdrücklich die Friedensbemühungen als preiswürdig festgelegt. Und bei aller Kritik und Polemik: Obama hat die Welt bereits verändert, hat sie bereits ein Stück weit verbessert. Seine Bestrebungen, der islamischen Welt die Hand zu reichen, Verhandlungen zwischen Israel und Palästina zu beeinflussen, sowie Gespräche über eine weltweite atomare Abrüstung zu führen, sind nicht selbstverständlich. Vor allem nicht in dieser Schnelligkeit, Stringenz und rhetorischen Sorgfalt. Schon unmittelbar nach seinem Amtsantritt im Januar 2009 bereiste er die Krisenherde der Welt und mimte den verständnisvollen, feinfühligen Zuhörer. Als konsequenter Zupacker hat sich der mächtigste Mann der Welt indes noch keinen Namen gemacht. Auch wenn die Raketenstellungen in Russland aufgegeben wurden, müssen Atomabrüstungsprogramme erst noch auf den Weg gebracht werden. Der ehrenwerte – und längst überfällige - Vorsatz, gemeinsam mit China die Emmissionsraten entscheidend zu senken, muss denn auch verbindlich in Schriftform festgelegt und schlussendlich befolgt werden, damit Klimapolitik keine Klimarhetorik bleibt. Und auch wenn Obama die Bankentransparenz fordert und größeren staatlichen Einfluss auf den amerikanischen Geldmarkt nehmen will, war er in Sachen Manager-Boni auf dem Wirtschaftsgipfel in Pittsburgh nicht gänzlich auf die Linie der Bundesregierung zu bringen. Seine ersten Dämpfer hat Obama ausgerechnet bei innenpolitischen Problemfeldern erhalten. Sein Großprojekt einer einheitlichen Gesundheitsreform, die allen Bürgern eine Krankenversicherung garantieren soll, hat nach harscher Kritik und Straßenprotesten eine wichtige Abstimmungsrunde im Kongress mit 14 gegen 9 Stimmen genommen. Dennoch sind Nachbesserungen und reformferne Zugeständnisse unumgänglich, um eine Beschlussfähigkeit zu erreichen. In der Rassismusdebatte kommt Obama bislang keinen nennenswerten Schritt voran.

Besonders die innenpolitische Realität beweist, dass Obama nicht der Messias ist, für den ihn anfangs die Medien gehalten haben, und jetzt das Nobel-Komitee hält. Nun ist die messianische Erwartungshaltung offiziell verankert. Und es scheint gar, als versuche man der Heilsbringungen einen kleinen Schups geben zu wollen, die Erfüllung ein bisschen voranzutreiben. So funktioniert natürlich keine Politik. Weder zu Helmut Schmidts Zeiten, dessen Annäherungsversuche an die Ostblockstaaten 1971 ebenfalls geehrt worden waren, bevor er überhaupt Taten folgen ließ, noch zu Obamas Zeiten. Obama selbst muss den Preis als Bürde sehen, die nun auf ihm lastet. Allerdings ist er Profi genug, sich nicht beeinflussen oder lenken zu lassen. Er verfolgt eine klare Linie und nimmt einen kleinen Preis am Wegesrand gerne dankend in Empfang. Die Probleme löst dieser Preis alleine nicht. Und Obamas Motivation wird er nicht steigern. Ohnehin macht Obama immer wieder deutlich, dass nicht er alleine globale Konflikte lösen kann, sondern dass nur eine Zusammenarbeit aller Staatenführer und Länder zum Ziel führen kann. Auch wenn der Preis den USA eine Vormachtstellung bescheinigt, so ist sich Obama bewusst, dass er auf Verbündete angewiesen ist. Seine Politik des Miteinanders wiegt mehr als ein One-Man-Preis. Angesichts ernsthafter globaler Krisen wirkt eine „Auszeichnung“ ohnehin perfide. Obama hat alle Hände voll zu tun. Gerade tagte er im „Situation Office“ mit seinen Beratern, um über eine Aufstockung der Soldaten in Afghanistan zu beraten. Nach dem erschreckenden Bericht des Kommandanten der US-Soldaten General McChrystal ist diese zwingend erforderlich, um der wachsenden Bedrohung durch die Taliban Einhalt zu gebieten. Im Gespräch ist eine Aufstockung von bis zu 40.000 US-Soldaten. Kritiker befürchten, dass dennoch keine Verbesserung der Lage zu erwarten sei. Es wird gar von einem zweiten Vietnam gesprochen. Ob Obama also ein würdiger Preisträger ist, bzw. ob er überhaupt ein würdiger Preisträger sein kann, wird er – wie im Falle der Atomabrüstung und auch der Weltbefriedung - nicht einmal beweisen können. So gerne er es würde. Und so scheint dieser Preis selbst, so aufrüttelnd er ist, nichts weiter zu sein als eine gut gemeinte aber schlecht durchdachte Utopie.

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