Sonntag, 21. Dezember 2008

Nachtrag: Polylog als Epilog

Nachtrag: Nach dem Aus für MTV folgt also nun auch das aus von Polylux. Auch MTV stand für Pop-, Sub- und Jugendkultur. Doch im Unterschied zu Polylux hat MTV kulturelle Randbereiche geprägt. Was bei MTV Ästhetisierung, Ausdruck, Protest und Unabhängigkeit war, wich bei Polylux der Fetischisierung und Ironisierung der eigenen Inhalte und nicht zuletzt der eigenen Sendung. MTV lebt als YouTube weiter. Die Gesellschaft behält ein wichtiges Ausdrucksmittel in der Hand. Auch die Sendung Polylux bleibt ihrer Fangemeinde auf Polylog.tv erhalten. Polylog ist damit der Epilog einer ziemlich belanglosen Geschichte.

Bye Bye Polylux: Besser ein Ende mit Schrecken

12 Jahre lang wurde Polylux auf die Menschheit, falsch: die „Gesellschaft“ losgelassen, jetzt ist auch die letzte Ausgabe endlich abgelaufen. „Gesellschaft“ - das kleine Wörtchen der großen Bedeutung wurde in der kleinen Sendung mit kleiner Bedeutung so häufig gebraucht wie frisch gedruckte Zeitungen in Briefkästen gesteckt werden: In jeder Sendung ein Haufen mal. An dieser Stelle sollen Bourdieu bis Luhmann nicht mit erhobenem Zeigefinger herangezogen werden, schauen wir lieber in die Polylux-Praxis. Was dem Zuschauer dort unglaubliche 12 Jahre lang als „Gesellschaft“ verkauft wurde, war in den Augen derer, die überhaupt noch Kritik an dem kleinen „Kulturmagazin“ geübt haben, nichts anderes als eine einzige Freakshow. Die Sendung war eine Randgruppenbeleuchtung unter dem Deckmantel einer „Kultursendung“, deren Zielgruppe aus Voyeuren und Gelangweilten gleichermaßen bestanden haben muss. Anders lässt sich das Interesse an „Objektophilen“, „Jumpstylern“, „Downshiftern“ und anderen Weltverklärern und Misanthropen nicht erklären. Da hilft es auch nicht – gnadenlos leichtfertig und ohne Unterscheidung - von Sub-, Pop- oder Jugendkultur zu sprechen. Die Beiträge folgten seit 12 Jahren den Kriterien „Aktualität und Relevanz“, ließ Titta von Hardenberg von sich selbst überzeugt in der letzten Sendung verlauten. Braucht es wirklich Polylux, um zu erfahren, dass viele Pizzerien in Berlin nicht von Italienern, sondern von Albanern oder Türken geführt werden, die versuchen die italienische Mentalität gegen ihre eigene Identität einzutauschen? Soll man als Zuschauer etwa honorieren, dass die Sendung dem albanischen Italiener Hassan zu Ruhm und Ehre verholfen hat, dass RTL und ZDF dem Aufruf nach „Aktualität und Relevanz“ gefolgt sind und den feurigen Albaner per Mini-Werbeauftritt zum „Fernsehstar“ katapultiert haben? Naja, da das Wort „Star“ im deutschen Fernsehen keine Bedeutung mehr hat, ist der Ausdruck immerhin gerechtfertigt, wobei ihm zum Bauern und Hartz-IV-Empfänger wohl noch einiges fehlen dürfte.

Grünenpolitikerin Renate Künast outete sich als „Polylux-Fan“, wenngleich sie eigentlich keine Beiträge verstehe. Die dargestellten Menschen hätten alle eine „Umdrehung zu viel“, aber, so zeige die Sendung, hätte schließlich jeder mal eine „Umdrehung zu viel“. Immerhin schließt sich die Grüne Powerfrau selbst mit ein.

Polylux: Gesellschaftskritik auf die feine Art. Obwohl: Sich gegenseitig mit Stühlen umzuhauen, hat mit Subtilität nicht viel gemein. „Happy Slapping“ ist bitterer Ernst in deutschen Schulen und braucht wohl alles andere als eine Kulturstilisierung (wenn auch in Form von Stühle-Wrestling). Die Welt hat viele Freaks, und das wissen nicht nur aufgeklärte Intellektuelle – spätestens seit Domian (und da darf und soll es bleiben). Ob es für die Aufklärung wirklich Polylux bedarf, lässt sich in Zweifel ziehen. Sich über das philosophische Quartett lustig zu machen ist unklug, da hilft auch nicht der Versuch, darüber Selbstkritik und Selbstironie gleich mit zu transportieren.

Im Anschluss an die Sendung Harald Schmidt übt man sich seit eh und je in nicht erreichbarer Selbstreferenz. Das eigene Outing, selbst zur Randgruppe des guten (oder schlechten?) Geschmacks zu zählen, bleibt aus, stattdessen propagiert Powerfrau Titta ihre Sendung als Ausnahme im deutschen Fernsehen und verwechselt eine Ausnahmeerscheinung fälschlicherweise mit einem Ausnahmezustand. Als sie sich am Ende ihrer Sendung selbst abmoderieren muss, sich also von sich selbst verabschieden muss, empfindet man fast Mitleid, aber als der zugegeben etwas benachteiligte Volksrepräsentant- und kommentator (Name entfallen) der Moderatorin und Mutter einen Blumenstrauß zum Abschied überreicht, wird aus Mitleid Scham. Und nach vielen zweifelhaften und getürkten Beiträgen aus der „Szene“ zieht die ARD nun endlich die Notbremse. Aus für Polylux. Bleibt zu hoffen, dass man sich jetzt umgehend den Kriterien „Aktualität und Relevanz“ widmet – und nicht mehr über eine Randgruppengesellschaft lästert, sondern für eine ausdifferenzierte Gesellschaft berichtet. Nicht mehr Dissidenten denunziert, sondern Interessenten informiert. Nicht mehr sich selbst fetischisiert und ironisiert, sondern schlichtweg Ernst nimmt.

Dienstag, 9. Dezember 2008

Die Jahresrückblicke 2008 - von Durchblick keine Spur

Da lehnt der gute Reich-Ranicki noch vor wenigen Wochen den Fernsehpreis mit großer Medienwirkung ab und tut dann doch nichts anderes als an seiner eigenen Unglaubwürdigkeit, seiner Negation (s.u.) arbeiten: In der Sendung „Menschen 2008“, im ZDF von Kerner moderiert, rezensierte er – wenn auch auf die Schnelle, und lediglich per Videoübertragung – das aufsehenerregenste Buch des Jahres: Charlotte Roches Feuchtgebiete. Dass dieses Buch weder Literatur noch lesenswert ist, dafür braucht es natürlich keinen Reich-Ranicki. Dass aber die Medienmacher immer noch die Oberhand gegenüber allen Kritikern haben, für dieses Diktum brauchte es ihn sehr wohl. Mit beispielloser Prägnanz übte sich das Massenmedium „ZDF“ in der Einverleibung vom derzeit größten Fernsehkritiker, statt ihn selbst zu kritisieren. Und so durfte der Oberschichtenmann das Unterschichtenbuch – Kerner verglich den Roman mit der Wirkung der Bildzeitung, was sie gar nicht gerne hörte – rezensieren, so als ob er das Buch eines Kindes rezensieren würde. Und die Kritik eines von Kinderhänden geschriebenen Buches wäre wohl besser ausgefallen. Das Buch sei nicht mal der Rede wert, und auch das nächste Buch werde er nicht lesen, dafür hätte er keine Zeit, ließ er über die Leinwand verlauten. Wenn aber das ZDF bei Reich-Ranicki anruft, um ihn für die Sonntagabend-Primetime-Unterhaltung vor Massenpublikum zu gewinnen, dann kann man schon mal über die Ablehnung des Fernsehpreises – die symbolisierte Kommerzialisierungskritik – hinwegsehen. Zu dumm, dass er damit seine eigene Haltung gegenüber dem Fernsehen wieder einmal ad absurdum führte.

Und dass, wo doch die Kritik am Fernsehen besonders an diesem Abend so angebracht gewesen wäre (wie eigentlich an den anderen ca. 350 Tagen zuvor). Zwei Jahresrückblicke, zwei der best bezahlten und bekanntesten, vielleicht sogar beliebtesten Fernsehmoderatoren, doch von Shows der Superlative keine Spur. „Stars“ wie Kurt Beck, Olli Kahn, Florian Hambüchen und co. wirkten eher wie B-Promis, als wie die, die nicht abgesagt, die noch Zeit hatten. Kurt Beck lies bei Jauch das übliche Bla Bla vom Stapel, an Gehaltlosigkeit nicht zu überbieten, Kahn und Lehmann mussten bei Kerner zwei Mal beteuern, dass Konkurrenz das Geschäft belebe – Kerner hatte wohl die Antwort nicht verstanden, ebenso wie die Irrelevanz seiner eigenen Frage(n). Florian Hambüchen durfte bei Jauch gegen einen (für 2008) belanglosen sportlich fitten Rentner antreten, der in der Münchener U-Bahn zusammengeschlagene Rentner kritisierte den Medienrummel um seine Person und war dafür folgerichtig bei Kerner, der Mundharmonika-Mann von RTL trällerte minderbemittelt das übliche Weihnachts-Bla Bla, Mario Barth machte Werbung für Homepage und Film, war witzlos und unspontan. Kerner mimte ein bisschen Wetten Dass und ließ zwei Kinder anhand von drei Sätzen die Bücher von Cornelia Funke erraten. Und Medizincomedian Eckhart von Hirschhausen wollte für seine 250.000 Euro-Spende für die Ein-Herz-Für-Kinder-Sendung am Tag zuvor noch einmal gelobt werden. Dass sich sein Buch bereits 1.000000 mal verkauft hat, wurde nur am Rande erwähnt, und nach so einer netten Spende sind doch sicher noch ein paar Tausend Käufer drin.

Lediglich bei Oliver Pocher, den Jauch am Ende mal wieder rausschmiss, konnte man für einen kurzen Moment aufatmen, gab er doch die Jauch-Sendung für wenige Sekunden der Lächerlichkeit preis und sagte das, was alle wussten, aber niemand sagen würde. Neben dem Mundharmonikamann habe er den RTL-Bauer (Namen beider Stars entfallen) vermisst, und auch für ihn könnten noch Karten auf der Homepage erstanden werden, meinte er in Anlehnung an Mario Barths Kommerzpolitik.

Man sah beide Sendungen im Wechsel per Zapping und fragte sich: War das Jahr wirklich so schlecht, so belanglos? Der Bankenkrise versuchte Kerner ein Gesicht zu geben – wahrlich nicht sein eigenes – und setze den WISO-Moderator neben zwei Opfer aus dem Volke, die Tausende von Euro verloren haben, sich aber für ihr Geld – und natürlich das der vielen anderen Opfer mit Demos und Auslandsreisen einsetzen. Eine lachhafte Veranstaltung, die eigentlich gar nicht zum Lachen war. So sorgte ein 11-Jähriges Mädchen auf Kerners Couch für Mitleid, weil es in Israel mit einem viel älteren Mann zwangsverheiratet wurde. Fremde Kulturen - für viele Westeuropäer unvorstellbar. Menschen 2008 – zu Tränen gerührt, oder war es doch die Herz-Für-Kinder-Show vom Vorabend?

Noch eine Prise Obama hier, ein bisschen Ypsilanti da und fertig war der Jahresmix, leicht bekömmlich, in kleinen Häppchen serviert, dafür sorgte der RTL-Pausenmarathon per (Privat-)Definitionem.

Noch was vergessen in diesem Jahr? Finanzkrise, Hessen/Obamawahl, U-Bahnschläger, EM, Olympia, Reich-Ranicki. Dann ist ja sicher alles gesagt. Was soll man auch dazu setzen: Medienkultur heißt Wahrnehmung dessen, was uns Medien vorsetzen. Will heißen: Das Jahr war wirklich so. Und wenn es doch nicht gänzlich die Färbung Jauchs oder Kerners hatte, dann aller höchstens ein bisschen von beidem. Oder war Ihr 2008 etwa anders? Denken Sie mal darüber nach.

Donnerstag, 23. Oktober 2008

Kultur im Fernsehen oder die Negation des Reich-Ranicki

Die Diskussion schien längst beendet. Die Macher des Fernsehens haben die Regeln erkannt. Auf der Jagd nach Quoten bleiben Inhalte oft auf der Strecke. Unterhaltung wird in viele Hüllen gesteckt. Und hin und wieder ziert diese Hüllen das Label "Kultur". "Harald Schmidt" war einst ein solches Hüllenformat. Hier voreilig in Panik auszubrechen würde der Frage, was ist überhaupt Kultur keinen Raum mehr lassen. Also, was ist überhaupt Kultur? Und was ist Kultur im Fernsehen? Der Leser dieses Blogs kennt natürlich die Antwort und weiß, in welchen Term diese Diskussion heute im 21. Jahrhundert mündet. MEDIENKULTUR ist heute nicht nur das Schlagwort, welches auf die Agenda derjenigen gehört, welche sich über die Niveaulosigkeit und die Bagatellisierung des Fernsehens echauffieren. Marcel Reich-Ranicki täte gut daran, seinen Kulturbegriff zu überdenken. Wie einst Adorno zählt er sich zur Elite. Zweifellos gehört er dazu. Der Elite mangelt es jedoch an Adaptionsvermögen und emotionaler, vielleicht sogar strategischer Intelligenz. Wer sich über die Masse stellt, der erhebt damit zugleich einen Anspruch, den er nicht erüllen kann. Nicht weil er Teil der Masse ist, sondern weil er ohne sie nicht wäre!
Das war denn auch der Teufelskreis der Medienmachinerie, aus dem auch der "Elite-Kritiker" (welch ein ironisches Wort) zusammen mit seiner verkörperten Antithese "Thomas Gottschalk" keinen Ausweg wusste. Immerhin: Sie haben die Misere erkannt. Wie soll man denn einer Amerikanisierung und Kommerzialisierung des Fernsehens entgehen, wenn Werbeeinnahmen das höchste Gut sind? Das Problem R-R´s: Zunächst einmal ist alles falsch und alles schlecht. Verneinend beginnt R-R jedenfalls nahezu jeden Satz - und das auch schon zu Zeiten des Literarischen Quartetts. R-R verfolgt seit eh und je eine Strategie der Negation. Was er nicht beachtet: Die Negation der Masse ist in einem Kahlschlag die Negation seiner selbst. Er kann abgeschieden leben, der Lust am Lesen fröhnen, und er kann die Kritik den Feuilletons kundtun. Doch kennen würde ihn wohl heute keiner, hätte er es dabei belassen. Es musste erst das Literarische Quartett die Lautstärke und Intensität des R-R in die Wohnstuben der (vielleicht kleineren Masse) übertragen, bis die Verneinung des Fernsehpreises überhaupt erst seine Wirkung tat. Die Negation ist seine Stragie. Bei der Verleihung des Deutschen Fernsehpreises hat sie seinen Höhepunkt erreicht. Ein Elite-Mann sagt Nein zum Fernsehen und tritt von der Bühne. Doch er tut mehr: Er tritt ab, weil er sich selbst negiert hat.
Das ist das Dielmma, vor dem auch ein Harald Schmidt und viele Fernsehschaffende mehr nicht gefeit sind. Fernsehen zu machen aus tiefer Abneigung gegen das Fernsehen. Und so ergeht es bis heute allen Medienkritikern. Sie können nicht mit dem Fernsehen leben, doch ohne noch viel weniger. Die Kritik am Fernsehen ist hier gleichwohl eine andere als bei R-R: Die Fernsehnegation der Fernsehkritiker ist die Bejahnung der eigenen Arbeit. Ein Norbert Bolz, ein Neil Postman, ein Hans-Magnus Enzensberger wäre nichts ohne sein Gerät, das er so sehr verabscheut.
Und so kann sich auch Harald Schmidt nicht gegen das Fernsehen wehren. Er will lieber auf die Bühne, doch er fügt sich einem Oliver Pocher. Auch er hat nach langen Jahren des Probierens und Attackierens die Lexion des Scheiterns gelernt. Nach absterbenden Quoten "pocht" wieder das Herz der ARD-Intendanten. Das Begreifen der Misere ist der erste Ausweg. Die Ausfahrt nach Babylon (Lorenz Engell) ist die einzig verbleibende Lösung des Problems. Und so existieren die Hüllen weiter. Mal leerer, mal voller. Mal ein wenig Kultur, mal ein wenig Unterhaltung. Wenn es gut "läuft", ein wenig von beidem. Harald Schmidt wollte einst mit Bildung unterhalten. Heute sind Shakespear, Schiller und Dostorjevski Vergangenheit. Doch nach wie vor hat es Schmidt nicht verlernt, uns die Welt zu zeigen, mit Zynismus und Scharfsinn den Dingen auf den Grund zu gehen. Kleine Gesten, kurzes Zucken und alles ist gesagt.
Medienkultur ist die Antwort auf R-R. Sie weicht den Elite-Begriff der Hochkultur ein wenig auf und setzt die Akzente auf den Soft-Skills der Medienwelt. Wer das Fernsehen in die Unterhaltungshülle presst, es als Nullmedium abtut und einen Kulturverfall propagiert, der vergisst das Diktum Lumanns: "Alles was wir wissen, wissen wir aus den Massemedien". Heute muss der Satz erweitert werden: "Alles, was wir sind, sind wir ob der Massenmedien". Der Begriff der Masse, von den Soziologen dieser Welt kritisiert und gefeiert, hat längst ausgedient. Medienkultur tritt an seine Stelle und beürcksichtigt die gebotene Komplexität. Medienkultur offeriert Lebens- und Wirklichkeitsmodelle. Nicht nur ermöglichen Medien Anschlusskommunikation - so wie wir sie derzeit bei R-R erleben - und wenden damit Kulturprogramme in Form von Diskursen an. Die Soaps, Gerichtsshows, Popstars und Seelenstrips dieser Welt haben vielleicht mehr mit Brecht zu tun, als R-R glauben will. Die Geschwindigkeit und Intensität seiner Negation lässt ihm keinen Raum zu denken, über den medialen Tellerrand, in die Medienwirklichkeit zu gucken. Medien sind unabdingbar für die Wahrnehmung des Anderen, sie sind der Spiegel des Selbst - auch und gerade das Fernsehen.
Und wie geht es weiter? Was macht unser Teufelskreis? Was machen die Hüllen und die Negation? Nun, man kann versuchen, den Rettungsring zu erhaschen, den Anker zu werfen und die Segel zu setzen, so wie es R-R tat: Ja, Shakespeare war unterhaltsam. In der Tat. Und sicher könnte man versuchen, mit "Kultur" zu unterhalten, oder mit Unterhaltung zu bilden. Doch das Hüllendenken macht im Fernsehen wenig Sinn. Wer fern sieht, der sucht sich ein wenig von allem heraus, abhängig, von dem was er tut, wie er fühlt, was er will. Ein reines Kultur- oder Bildungsfernsehen widerstrebt der Dynamik der Medienkultur, des Lebens selbst.
Wir gestehen R-R die Kritik am Fernsehen zu. Vielleicht ist es an der Zeit, wieder einmal über den Sinn des Fernshens zu sinnieren und den Medienkultur-Diskurs aufzufrischen. Aber es wird wohl kaum dazu führen, dass wir Brecht und Shakespeare auf der Mattscheibe begegnen. Und das ist auch gut so. Marcel Reich-Ranicki sagte Nein und suchte die Ausfahrt. Er tritt ab. Es war sein letzter Akt. Über ebenso fragwürdigen Mechanismen der Literaturindustrie oder die abscheuliche Selbstbeweihräuscherung beim Deutschen Fernsehpreis braucht gar nicht geredet zu werden. Sie sind, was sie auch bleiben werden: Teil des Programs. Auch nach Reich-Ranicki.

Dienstag, 30. September 2008

+++ News +++ News +++ News +++ News +++

Der Medienkultur-Blog wird hypermedial! Das zeitweilige Hoch- und Runterscrollen auf dieser Seite könnte mit dem ein oder anderen filmischen, bildlichen oder musikalischen Zeugnis vergangener und heutiger Medienkultur belohnt werden. Auch bestehende Artikel wurden hypermedialisiert!

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Mein aktuelles Buch "Medienkultur im Wandel. Autorschaft im Web 2.0" ist nicht nur bei vielen Internet-Buchändlern erhältlich, sondern ab sofort auch über den Weltbild-Vertrieb und die Myersche Buchhandlung zu beziehen!

Es ist außerdem in den Bestand der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf aufgenommen worden.

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In Planung steht die Teilnahme an der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, DGPuK, am 29. April-01. Mai 2009 in Bremen. Die Tagung trägt den gleichen Titel wie mein aktuelles Buch "Medienkultur im Wandel".

Mittwoch, 24. September 2008

"Irgendwann stellst Du fest: Das wird alles verändern!"

Steve Jobs hat ganze Arbeit geleistet. iPods und Mac-Books verkaufen sich wie Brennholz, an der Wall Street zeigt man sich zufrieden und auch im Silicon Valley denkt lange keiner mehr an die Zeit zurück, in der Apple vom großen Bruder Microsoft überrannt wurde. Niemand hat wirklich an Apple geglaubt, doch Steve Jobs belehrt jeden Ungläubigen eines Besseren. Jetzt zieht er das nächste und wohl größte Ass aus dem Ärmel: Das iPhone. Bald schon schleicht es dem Business-Image davon und vibriert nach Aufmerksamkeit heischend in den Taschen der Otto-Normalverbraucher. Nicht Termine und Kontakte werden mehr verwaltet, Emails geschrieben und Börsenkurse verfolgt; in Zukunft werden Fun-Videos und Musikclips heruntergeladen, Community-Seiten aufgesucht, soziale Netzwerke ausgesaugt und Games gespielt– von überall, zu jederzeit. Möglich machen das Subventionierungen von Seiten der Mobilfunk- und Internetanbieter. Das iPhone wird so immer günstiger und wandelt sich auf diese Weise immer mehr vom Prestige-Objekt in einen trendigen Alltagsbegleiter. Den Apple-Funktionären dürfte diese Entwicklung nur Recht sein.
Seit einigen Werbespots wird die intuitive Handhabung des iPhones und die Bereicherung des alltäglichen Lebens propagiert. Doch Apple musste schon ihren letzten Werbespot wegen Irreführung ändern. So versprach der Computerriese Zugriff auf „das ganze Internet“, doch der Verzicht auf Java und Flash schränkt das grenzenlose Surfen erheblich ein, da sich eine Vielzahl von Internetseiten nur mit entsprechend ausgerüsteten Browsern betrachten lassen. Auch Apples einstige Kampagne zum Power Mac G5 (2004) wurde wegen dem Slogan „the world´s fastest computer“ kritisiert. Rhetorik, Vision und Wahrheit liegen bei Apple weit auseinander. Und so geht die penetrante Du-Anrede der nach Verbündung bettelnden Stimme in den Apple-Spots weiter. Und die untermalende Musik mimt die heile Welt. Die Welt wird sicher nicht heiler, doch sie wird um ein weiteres Gadget reicher.
Schnell fühlt man sich an die McLuhanschen „Extensions of Men“ erinnert. So würden nach McLuhan elektronische Medien die menschlichen Sinne erweitern und letztlich die Grenzen von Raum und Zeit überwinden helfen. Das Fernrohr erweiterte einst das Auge und ermöglichte eine menschenunmögliche Vergrößerung von Objekten, das Fernsehen brachte uns Ereignisse aus aller Welt zu jeder Zeit ins heimische Wohnzimmer und ließ uns an historischen Großereignissen kollektiv teilhaben, verwandelte die Welt in eine „globales Dorf“. Das Telefon war zu dieser Zeit ja längst schon veraltert. Sprechen und Hören, das Empfangen und Senden von akustischen Informationen gehörte längst schon zum Inventar der Medienkultur. Umso erstaunlicher, ja fast schon ironisch mutet die Renaissance des Telefons an. Sicherlich, heute ist es mobil. Aber, für wen ist mobiles Telefonieren heute noch etwas Besonderes? Es ist zweifellos das Internet, respektive Web 2.0, was das Handy derzeit so attraktiv macht. Getreu dem Vodafone-Motto: „Das echte Internet ist jetzt mobil“, brauchte es wohl erst das Internet, um das Handy wieder ins Gedächtnis zu rufen – oder ist es umgekehrt? Hübsch anzusehen, wie sich die technischen Revolutionen die Bälle zuspielen. Doch reden wir hier überhaupt über technische Revolutionen? Sind es wirklich Neuerungen, die uns Apple und Co. als solche verkaufen wollen?
Die iPods und ihre Ableger sind mittlerweile ständiger Begleiter, nicht nur von technikaffinen Menschen. Doch mitschneiden kann man diesen hochmodernen Geräten nicht. Was bei einfachen Kassettenrecordern schon im Namen steckt – das Aufnehmen - und seit Anbeginn der Geräte mitgedacht wurde, bleibt dem Nutzer von hochmoderner Apple-Technik verwehrt. Ein Schritt in die Vergangenheit? Klar, wer braucht angesichts eines USB-Anschlusses noch eine Rec-Taste, die das Aufnehmen von Musik erlaubt? Erst das iPhone scheint dem Abhilfe zu schaffen: Jetzt hat die Rec-Taste endgültig ausgedient. Sie wird vom virtuellen Download-Button ersetzt. Inhalte jeglicher Art werden dank hochleistungsfähiger UMTS-Netze in der 3G-Version des iPhones sprichwörtlich in Windeseile heruntergeladen. Und der Live-Mitschnitt des hautnah miterlebten Konzertes ist längst in hervorragender Ton- und Bildqualität zu haben. Aufnahmewürdige Veranstaltungen werden heute längst nicht mehr über die menschlichen Sinne aufgenommen. Sie werden mitgeschnitten, um sie vielleicht zu Hause oder mit anderer Begleitung in schönerem Ambiente, und vielleicht zu einer menschlicheren Uhrzeit und vor allem in aller Ruhe genießen zu können.
Schaut man sich die automatisierten Armbewegungen der Handy zückenden Massen bei Events jeglicher Art an, wird man den Verdacht nicht los, dass hier nichts „sinnliches“ mehr am Werk ist. Hier wird nichts mehr miterlebt. Hier werden keine Bilder mehr im Kopf gespeichert. Hier findet die Speicherung auf Flash-Karten statt, die das Leben festhalten, es dokumentieren. Beinahe so, als müsste man anderen oder gar sich selbst beweisen, dass man dort war, dass man teilgenommen hat am Leben, getreu dem Motto: Ich war dabei. Und was passiert, wenn die Speicherkarten gelöscht werden? Memory Erase? Life Error?
Auf den Bahnstrecken der Zukunft erfreut man sich nicht mehr eines grünen Baumes, den man passiert, macht keine überraschenden Entdeckungen mehr der Sorte: Das Haus passt hier nicht hin. Die iPhones propagieren uneingeschränkte und grenzenlose Kommunikationsmöglichkeiten. In Wahrheit sind sie das Instrument der Kommunikationsverweigerung. Und auf genau das scheinen insbesondere Bus- und Bahnfahrer lange gewartet zu haben. In Zukunft muss man sich nicht mehr der peinlichen Stille, des ungewollten Schweigens und der Angst machenden Möglichkeit der Kontaktaufnahme mit anderen Mitreisenden ausliefern. Die Stille wird einfach übertönt. Das Schweigen einfach mit sich selbst gebrochen. Die Kontaktaufnahme mit dem Gegenüber einfach verweigert – aus gutem Grund. Mein iPhone. Es klingelt nicht. Aber ich muss ja auch nicht mehr abheben um mich abzusondern.
In Zukunft heißt es nicht mehr, den Hörer abzuheben, sondern selbst abzuheben vom Boden der Realität. Eintauchen in die Weite des virtuellen Universums. Vielleicht ist dieses Abheben einfach Ausdruck einer Sehnsucht nach Ferne, nach Geborgenheit, Glück, Unsterblichkeit. Doch wie sterblich und verletzlich der Mensch ist, das wird er erkennen. Spätestens wenn sich die Flashkarten löschen. Das machen sie eh meist von selbst. Dann sind die Erinnerungen weg. Dann ist geschwärzt, was einmal in bunten Farben vor dem Auge flimmerte, dann ist verstummt, was einmal in schillernden Tönen die Ohren massierte, dann ist erloschen, was man einmal glaubte, erlebt zu haben.
Vielleicht täte man gut daran, mit dem Handy die notwendigen Dinge zu tun („Nur so´n Gedanke“, um eine weitere iPhone-Werbung zu zitieren). Dann ist es eine Erleichterung. Und vielleicht wäre es sinnvoll, auch dem iPhone jenen Respekt vergangener Tage zu zollen und einfach nur abzuheben (bzw. ran zu gehen), wenn es klingelt. Falls es klingelt.
„All die Jahre ist man rumgelaufen, ohne seine Emails so in der Hosentasche zu haben, ohne Börsenkurse so abrufen zu können, und ohne das Internet so dabei zu haben“, heißt es wieder einmal locker und leicht im iPhone-Werbespot. Und der säuselnde Sprecher muss selber feststellen: „Und man hat überlebt!“ Die nachfolgende Ergänzung: „Die Frage ist nur: Wie?“ mutet fast ein wenig selbstironisch an. Natürlich hat man überlebt. Das weiß Apple sehr genau. Die Frage lautet eher: Wie leben wir weiter? Die neuste der unzähligen Versionen des iPhone-Werbeclips wiegt sich in Sicherheit: „Irgendwann stellst Du fest: Das wird alles verändern.“ Warten wir´s ab!

Dienstag, 9. September 2008

Schiller live in Bonn: Eine Ode an die Freude!

"Leben heißt träumen, weise sein heißt angenehm träumen." Geht es nach den Worten von Friedrich Schiller, müssen die Besucher des Schiller-Konzertes am Samstag in Bonn besonders weise gewesen sein – so angenehm haben sie geträumt. Grund dafür war ein atemberaubendes Klangkonglomerat aus Pop-, Rock-, Indie- und Trance-Elementen, welches seine Wirkung tat: Menschen jenseits der 30 rissen die Arme in die Luft, wippten unbedarft von einem Bein aufs andere, schlossen für kurze Momente die Augen oder zückten intuitiv einsame Feuerzeuge. Jeder einzelne hat sein ganz persönliches Fest gefeiert, seine eigene Reise ins Innere angetreten, getrieben von der Sehnsucht nach Klängen, Melodien und Beats.

Wer Schiller auf der Sehnsucht-Tour live erleben durfte, der konnte sich davon überzeugen, dass die Klänge klarer waren als Kristall. Die Stimmen von Jette von Roth, Kim Sanders und Jael glichen einem geschliffenen Diamanten, der die Augen der Besucher zum funkeln brachte. Ein kleines Lächeln auf ihren Lippen legte Zeugnis davon ab, wie angenehm der Traum gewesen sein muss. Zweifellos ist Schiller das, was Produzent Christopher von Deylen als „elektronische Musik mit Seele“ verstanden wissen will. Doch auf der Bühne ist Schiller mehr als nur ein nebulöses Musikprojekt. Schiller präsentiert sich als ausgereifte Band. Syntheziser treffen auf Akustik- und E-Gitarre, elektronische Drums auf solides Schlagzeug. Auch wenn der Frontmann und Produzent betont: „Ich bin Christopher von Deylen und ich bin Schiller“, sind es die Bandmitglieder und die musikalischen „Gäste“, die Schiller komplettieren. Jeder einzelne verfügt über eine Aura, die den Zuschauer und Zuhörer in seinen Bann zieht. Der Mix aus akustischen und elektronischen Klängen schafft eine Atmosphäre, in der Länder eine globale Einheit bilden, in der Vergangenheit und Zukunft im Augenblick des Hörens aufeinander treffen. Ort und Zeit sind eins bei Schiller. Besonders spürbar beim Klassiker „Glockenspiel“. Die Live-Interpretation des Songs war von musikalischer Effektivität und schlichter Schönheit geprägt und sorgte an diesem Abend einmal mehr für fernöstliche Magie in der Luft.

Das Live-Konzert von Schiller war ein audiovisuelles Gesamtkunstwerk, die Reihenfolge der Stücke nahezu perfekt. Dass auch die Band einen ungeheuren Spaß hatte, trug zu einem ebenso begeisterten Publikum bei. Gleich zwei Zugaben gönnte Schiller den jubelnden Fans, welche völlig außer sich schienen vor Freude. Zwei Mal zeigten Schiller dann, was noch in ihnen steckt, schmetterten lauter als zuvor – und das nicht weniger virtuos. Am Ende konnte die Band um Christopher von Deylen ihr Glück wohl kaum fassen, schüttelten dankend die Köpfe.

Dem Besucher bot sich da an jenem Abend des 06. September 2008 auf dem Vorplatz des Kunstmuseums in Bonn – einer maßgeschneiderten Location - wahrlich der Musik gewordene Schiller, musikalische Lyrik par excellance, ein Klangerlebnis der besonderen Art. Welch eine Ode an die Freude! Oder doch an die Sehnsucht?

Dienstag, 2. September 2008

Hurra Hurra, mein Buch ist da!

Mit Stolz darf ich dem geneigten Leser dieses Weblogs verkünden: Mein Buch ist ab jetzt käuflich zu erwerben! Nachfolgend gibt es Details, den Original-Klappentext und die Links. Über eine Rezension würde ich mich natürlich unglaublich freuen.

Bis heute stehen Medien- und Literaturwissenschaftler gleichermaßen vor dem Problem, die Bedingungen und Facetten von Autorschaft fachübergreifend zu formulieren. Der Autor Christian Hensen geht der Frage der Autorschaft in neuen Medien nach und legt den Fokus auf das kontrovers diskutierte und vielfach zitierte "Web 2.0". Durch eine Gegenüberstellung der foucaultschen Frage "Was ist ein Autor?" mit der von Verleger Tim O´Reilly "Was ist Web 2.0?" gewinnt der Autor einen interdisziplinären Zugang zum Autorbegriff und verhilft ihm zu einer Neudefinition, welche dem gegenwärtigen Wandel der Medienkultur Rechnung trägt. Auf diese Weise wird der vorwiegend aus Marketing-Kreisen bekannte Begriff "Web 2.0" erstmalig einer kulturwissenschaftlichen Analyse unterzogen. Anhand konkreter Web 2.0-Plattformen wie Weblogs, Wikis, Videoportale und soziale Netzwerke wird eine Typologie des Autors entwickelt und so der Theoriediskurs mit der Medienpraxis konfrontiert. Dabei werden wichtige Web 2.0-Praktiken wie Verlinkung, Indexierung und Ranking in die Untersuchung einbezogen. Das Buch richtet sich an Medien- und Kulturwissenschaftler, ebenso wie an Literaturwissenschaftler und Germanisten.

Broschiert: 156 Seiten
Verlag: Vdm Verlag (August 2008)
ISBN-10: 3639077024
ISBN-13: 978-3639077025
Größe und/oder Gewicht: 22 x 15 x 0,9 cm

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Sonntag, 31. August 2008

Die Antithese des Schreckens

Wer erinnert sich nicht an die Frage aller Fragen. Im Film wurde sie 1946 scheinbar zum ersten Mal gestellt. Falsch. Eigentlich wurde sie gar nicht gestellt. Der ganze Film hat sie sich zu Eigen gemacht, sie einverleibt. Die Frage selbst blieb ungestellt, unausgesprochen, und vor allem unbeantwortet: „Ist das Leben nicht schön?“ Die Schauspieler James Stewart und Donna Reed würden die Frage wohl nicht ohne weiteres bejahen. Nicht nachdem George Bailey vor dem finanziellen Ruin stand, seinen Lebensmut verlor und dem zu seiner Hilfe erschienenen „Engel Clarence“ rät, seine Identität am liebsten ganz auszulöschen. Gesagt getan. Keiner seiner Freunde kennt ihn mehr, selbst für seine Familie ist George ein Fremder. Sein Haus, seine Frau, seine Kinder existieren nicht ohne ihn. Kann das Leben nicht doch schön sein?
Roberto Benigni schrie die Antwort 1997 mit voller Überzeugung, voller Inbrunst und Lebensfreude aus sich raus: „Das Leben ist schön“! Hat es dafür wirklich 70 Filmjahre gebraucht? Wenn man ehrlich ist, stellt man nach diesem Film auch dieses Diktum wahrlich in Frage. Wie kann das Leben schön sein, wenn Menschenmassen deportiert, Familien auseinander gerissen und Kinder getötet werden. Schnell fühlt man sich an Louis Armstrongs „What a wonderful World“ (1967) erinnert. Als dieses Lied die grausamen Bilder von Toten und Explosionen im Film „Good Morning Vietnam“ (1987, mit Robin Williams) „untermalt“, mutet die Schönheit dieses Liedes so tragisch und schwer an. Ein Lied, das die Bilder ästhetisiert und so die Absurdität des Krieges jedem Zuschauer schonungslos vor Augen führt. What a wonderful World.



Doch hat nicht gerade die Abscheulichkeit und Tristesse ein wenig Schönheit verdient? Kann nicht ein kleines Lied ein großes Leid wie selbstverständlich lindern? Die Frohnatur Guido spielt seiner „geliebten Prinzessin“ Dora im Konzentrationslager jenes Stück von Jacques Offenbach (aus Hoffmanns Erzählungen) über die Lautsprecher, das sie beide gemeinsam in der Oper gehört haben. Im Lager sind die beiden räumlich weit voneinander getrennt. Auch im Opernhaus können die beiden nur Blickkontakt aufnehmen. Das Stück zieht ein Band zwischen ihnen, verbindet sie, schweißt sie zusammen. In der Oper wie im Lager. Die Bacarole. Welch eine Schönheit, was für eine „gewaltige“ Rhetorik.



In „Zeit des Erwachens“ mit Robin Williams und Robert de Niro spielt die Musik gar eine Doppelrolle. Die geistesabwesenden Patienten, welche unter einer unerforschten Schlafkrankheit leiden, hören vielleicht die Musik, die ihnen Dr. Sayer vorspielt. Genau aber weiß das niemand. Auf jeden Fall hört sie der Zuschauer, und sie verleiht dem Schicksal der Menschen eine friedliche Ruhe. Nachdem ein Heilmittel die Patienten kurzzeitig aus ihrem Schlaf erwachen lässt, bringt sie die Musik zum Tanzen. In der Welt der Wachen kommen die Patienten jedoch nicht zurecht, sie erleiden einen Rückfall. Für sie scheint die friedliche Ruhe Erlösung. Und die Musik spielt weiter. Auch für den Zuschauer.
Im Jahr 1985 erschien der Song „Wonderful Life“ der britischen Gruppe „Black“. Lange vor Benignis „Das Leben ist schön“ flossen unzählige Tränen, die nicht wussten, ob sie des Lachens oder des Weinens wegen ihre Sache tun. Genau zehn Jahre später exportierten die Schweden Ace of Base wahre Lebenslust in die Radios und sangen „It´s a beautiful Life“. Drei Jahre später setzten sie einen drauf. „Life is a Flower“ hieß es dann völlig unverblümt. Hier bestand kein Zweifel: Diese Botschaft war eindeutig.



Manchmal liegt die Wahrheit wohl irgendwo dazwischen. Es gibt unsagbar viel Unrecht und Leid auf der Welt. Doch so lange es Filme gibt wie „Das Leben ist schön“, Stücke wie Offenbachs Bacarole oder Songs wie Blacks „Wonderful Life“ gibt es nur die eine Wahrheit: Das Leben ist schön! Dann sind es die kleinen Dinge, denen man Aufmerksamkeit schenken sollte: „I see Trees of Green, red Roses too. I see them bloom for Me and You, and I think to myself: What a wonderful World.” Der Filmklassiker um George Bailey und Engel Clarence gibt im englischen Originaltitel die Antwort selbst: „It´s a wonderful Life“ heißt der nämlich auch.

Dienstag, 26. August 2008

Der Relaunch der Bibel

"Groß sind die Werke des Herrn; wer ihrer achtet, der hat eitel Lust daran." (AT, Kap. 111, Vers 002). Eine ähnliche Lust muss wohl auch der Schauspieler Ben Becker derzeit verspüren, bringt er doch das Buch der Bücher in einer dreistündigen "konzertanten Performance" auf die Showbühne. Es sei "Ben Beckers göttliches Come Back", schreibt der Spiegel. Vanity Fair überschlägt sich vor Begeisterung: "Jesus mag Gottes Sohn sein, aber Ben Becker ist seine Stimme." Und die Welt bleibt lieber bei den Fakten: "Das Bühnenspektakel riss die knapp 3000 Zuschauer im Tempodrom vor Begeisterung von den Sitzen.“ Bereits 1996 brachte Ben Becker die Bibel ins Fernsehen, spielte Prinz Sidqa im Film "Die Bibel - Samson und Delila", jetzt musikalisiert, ja instrumentalisiert er sie - im "wahrsten" Sinne des Wortes. Und was wahr und falsch ist, das wusste Jesus gewiss, doch weiß das auch Ben Becker? Was dürfte der Zimmermann von einst wohl zum Schauspiel Beckers, zum "Relaunch" der Offenbarungen Gottes sagen? Während Jesus durch Nazareth, Jerusalem und Judäa pilgerte, tourt Ben Becker durch Kiel, Hannover, Köln, Dortmund, Leipzig, Dresden, Hamburg, Stuttgart, München. Auch ihm dürften seine Jünger folgen. Ob die Verkündung des Glaubens auf fruchtbaren Boden fällt, ist fraglich. Die musikalische Überbringung der "Frohen Botschaft" dürfte dem Deutschen Filmorchester Babelsberg zweifellos gelingen. Der Name der begleitenden Band Beckers "Zero Tolerance" klingt dagegen eher mephistophelisch als göttlich. Und wenn die Show für die Besucher nur das "kleine Senfkorn Hoffnung" ist, so scheint sie für Ben Becker gleichwohl die Erfüllung. Ben Becker. Ein Virtuose der Bühne oder doch eher ein enfant terrible? Er spielte an der Seite namhafter Schauspieler, sang mit Xavier Naidoo bei Schiller und spricht nun mit tiefer Stimme das Wort Gottes. Fühlt er sich doch zu Höherem als Pop berufen? Es scheint vielmehr, als mache er aus dem Höheren selbst Pop. "Die Bibel - live", preist RTL an, "Best of Bibel" heißt seine Doppel-CD, "Die Bibel - eine gesprochene Symphonie" ist der pathetische und großspurige Titel seiner DVD, und die Internetseite gotteslästert (? bzw. nennt) sich "bibel2008.com". "Relaunch" wird die Auferstehung des Ben Beckers ins Moderne übersetzt. Im Alten Testament heißt es "Du wirst dich nähren deiner Hände Arbeit; wohl dir, du hast es gut." (Kap. 128, Vers 002). Wie wahr, was in der Bibel steht geschrieben.

Dienstag, 19. August 2008

Das Leben ist schön

Selten hat mich ein Film so sprachlos gemacht wie dieser. Was mit ungeheuerlicher Leichtigkeit begann, endete mit einer schmerzlichen Schwere. Während sich in der ersten Hälfte die Frohnatur Guido (Roberto Benigni), ein jüdischer Buchhändler, mit allerlei Schabernack und Lebensfreude daran macht, seine "geliebte Prinzessin" (Nicoletta Braschi) zu erobern, schlägt die Komödie im zweiten Teil in pure Tragik um. Just an dem Tag, an dem sein Sohn Giosué seinen fünten Geburtstag feiert, wird Guido mit ihm und seiner mittlerweile angeheirateten Frau Dora in ein Konzentrationalager deportiert. Dort verliert Guido seine Frohnatur keineswegs, gaukelt er doch seinem Sohn vor, die Deportation sei ein Spiel, bei dem man am Ende einen echten Panzer gewinnen könne. Dass Frauen und Männer getrennt würden - beide also ihre Mutter bzw. Frau nie wieder sehen werden - sei die Mannschaftsaufteilung. Auch fürs Essen gebe es Punktabzug. Nur wer am Ende 1000 Punkte auf seiner Liste hätte, würde als Sieger hervorgehen und den "echten Panzer" gewinnen. Im erbitterten Kampf um die Punkte führt das "Spiel" auf eindrucksvolle Weise den Nationalsozialismus ad absurdum.
"Wie Charlie Chaplin in "Der große Diktator" oder Radu Mihaileanu in "Zug des Lebens" macht Roberto Benigni die nationalsozialistische Herrschaft in einer surrealen Tragikomödie mit Slapstick-Elementen lächerlich. Dabei wird die Absurdität dieses Schreckensregimes um so deutlicher. Auch wenn man beim Zuschauen immer wieder lacht, handelt es sich bei "Das Leben ist schön" um einen erschütternden Film, und in keiner Minute vergisst man das Grauen hinter der Clownerie." (Dieter Wunderlich)
Roberto Benigni hat mit diesem Film ein gewagtes Meisterwerk aus dem Ärmel gezaubert, für das er zahlreiche Oscars einheimste. In Italien sorgte der Film 1997 für stürmische Begeisterung. Und bis heute wünscht man sich mehr Filme solcher Klasse.
Am Ende klettert Giosué aus seinem Schrank, in dem er sich verstecken sollte, bis er kein Mucks mehr hörte. Er steht in Mitten eines leeren Platzes. Da, wo zahlreiche Menschen ihr Leben verloren haben, da steht nur noch er. Auf ihn rollt ein Panzer zu, dessen Fahrer ihn zu sich hineinzieht. Auf der Fahrt sieht er seine Mutter. "Tausend Punkte, wir haben gewonnen!", schreit der Kleine in die offenen Arme seiner Mutter. Sein Vater Guido wurde erschossen, als er versuchte, als Frau verkleidet seine Dora zu finden. Zu Beginn des Films gab er einem intelligenten Hotelgast - ironischerweise auch der Arzt im Konzentrationslager - immer Rätsel auf. Dieser fragte Guido darauf hin: "Eh du meinen Namen nennst, bin ich schon nicht mehr da." Das "Schweigen" war die Antwort eines ebenso klugen Guidos. Und genau das bleibt am Ende dieses Films. Ist das Leben nicht schön?




An dieser Stelle sei auch an einen denkwürdigen Moment der Oscar-Geschichte erinnert: An die Preisverleihung für "Das Leben ist schön" an Roberto Benigni.

Montag, 18. August 2008

In eigener Sache: Von der Kontemplation zur Aktion

Ich selbst kann es kaum noch erwarten. Mein erstes Buch steht in den Startlöchern und wartet darauf, die Intelligenzia dieser Welt zu bereichern! Okay, formulieren wir es bescheidener: Bald wird es veröffentlicht, und es freut sich über jede noch so bescheidene Nachbarschaft anderer Druckerzeugnisse in den Bücherregalen dieser Wohnstuben. Neben Romanen und Sachbüchern wird es sich ebenso wohl fühlen wie neben Belletristik und Kochbüchern. Ohnenhin würde der Leser guten Geschmack beweisen. Das Rezept des Lebens sollte darin zwar nicht gesucht werden, jedoch führt das Buch so mancher Medientheorie die Medienpraxis schonungslos vor Augen, und es entstaubt so manchen Medienbegriff vergangener Tage. Das einfach deshalb, weil es die älteste Vokabel der Mediengeschichte - den Autor - mit der neusten - dem Web 2.0 - konfrontiert. Im Laufe der Arbeit bin ich auf einige überraschende Zitate gestoßen, welche dringend einer Überholung bedurften - oder was viel überraschender war: Viele Zitate von "früher" sind heute aktueller denn je. Scheinbar braucht es erst das "Web 2.0", damit sich so manche Utopien bewahrheiten können. Gleichzeitig findet derzeit eine Entmystifizierung der Medien statt, wie es sie nie zuvor gegeben hat. Wer es noch nicht mitbekommen hat: Wir befinden uns derzeit in einem enormen Wandel der Medienkultur, welcher gerade erst im Begriff ist, den Alltag völlig umzukrempeln. Heute lesen wir nicht mehr nur, hören wir kein Radio mehr, lassen uns nicht mehr vor dem Fernsehen zerstreuen. Kontemplation war gestern, heute ist Aktion angesagt! Heute wird selber geschrieben - und das gleich massenweise - , werden Radiosendungen selber live ausgestrahlt, produzieren Amateure ihre eigenen Sendungen und sind Schirmherren ihrer eigenen TV-Kanäle. Wo dieser Wandel hinführt, bleibt abzuwarten. Wichtig ist, ihn zu erkennen und ernst zu nehmen. Im 21. Jahrhundert wandelt sich Medienkultur, werden Sinnbezüge neu justiert, wird Wirklichkeit individuell. Bald wird es das Buch geben. Der Titel "Medienkultur im Wandel. Autorschaft im Web 2.0" wird das Cover zieren. Es wird die Wirklichkeit der Welt nicht verändern, doch es verändert meine. Und vielleicht entdeckt auch so mancher Leser etwas neues, etwas wofür es sich lohnt, zu lesen. Etwas womit er nicht gerechnet hat. Sich sammeln statt zerstreuen. Aktion statt Kontemplation. Ich selbst kann es kaum noch erwarten.

Sonntag, 10. August 2008

Das Torrent-Syndrom

Als Torrent-Syndrom bezeichnet man die Krankheit zwanghafter und unkrontollierter Klicks, welche willkürlich sogenannte Torrents auf den Computer laden, was wiederum die rechtswidrige Beschaffung jeglicher Medienformate zur Folge hat. Ebenso wie durch die Tics beim Tourette-Syndrom fühlen sich auch Außenstehende, hier: Medienkonzerne und Behörden, durch die Klicks provoziert. Die Behandlungsmethoden sehen eine Medikation in Form von Psychopharmaka und Neuroleptika vor, wobei auch Verhaltenstherapien Wirkung zeigen. Besonders der Einsatz von Musik, etwa das Spielen von besonders schnellen und rhythmischen Instrumenten soll den Tics entgegen wirken. Nicht so bei den Klicks: Hier sind Musik und Film die eigentlichen Ursachen für das Torrent-Syndrom. Wie ironisch.

Samstag, 9. August 2008

Fernsehen zum Nachsehen und die Fürbitte des Digitalen

Was ich gerade tue? Ich sehe Fern während ich schreibe. Außerdem schreibe ich während ich Fern sehe. Das Programm läuft nicht ohne mich weiter. Ebenso wie die Buchstaben nicht von alleine getippt werden, wechseln auch die Bilder nicht alleine einander ab. Sie stehen still. Keiner rührt sie an, so lange ich sie nicht bewege, sie weiter laufen lasse. Während die Buchstaben auf mich warten, in eine sinnvolle Reihenfolge gebracht zu werden, sind die Bilder bescheidener. Sie warten nur auf mein "go", auf mein "play". Sie laufen dann weiter von alleine. Denn sie können schon laufen. Das haben sie bereits 1832 gelernt, als der Deutsche Simon Stampfer und der Belgier Joseph Plateau das "Lebensrad" erfanden. Seitdem läuft das Bild unaufhörlich weiter, fast so wie das Riesenrad, das im Wiener Prater seit 1897 unaufhörlich seine Runden dreht. Nur heute - 2008 - da werden sie endlich gestoppt, die Bilder. Das Zapping geht in die zweite Runde. Zu ihm gesellt sich das "Stopping". Das Drag & Drop des Web 2.0 ist das Zapp & Stopp des Digitalen Fernsehens. Der Videorekorder revolutionierte 1954 das Sehen, indem er Aufzeichnungen und das "Nachsehen" erlaubte. Heute heißt er Festplatte. Die "Media Receiver" dieser Welt erlauben das aktive Eingreifen in die Wirklichkeit der bewegten Bilder. Fortan wird sie manipulierbar. Die hier lesbaren Buchstaben nähern sich einem Stoppzeichen, dem Punkt. Die Bilder warten auf ihr Weiterleben, ich drücke einfach die Play-Taste des Live-Fernsehens. Was die anderen Menschen lange gesehen haben, lässt in meiner Realität lange genug auf sich warten. Ich werde "nachsehen", ob noch alle Bilder an ihrem Platz sind; da wo ich sie eben verlassen habe. Wenig später werde ich meinen Fernseher sogar bitten. Wenn er meine Bitte - die fast einer Fürbitte gleicht - erhört, wird er mir ein Video schenken. Er wird es sich beim scheinbar viel größeren Bruder Web 2.0 ausleihen, wird es mir gegen eine kleine Gebühr von lächerlichen Euros schenken und es dann seinem Bruder spätestens nach 24 Stunden "unversehens" zurückgeben. Video on demand heißt die Fürbitte des Digitalen. Pay per view erklärt das Carpe Diem zum höchsten Prinzip. Und wem die Wirklichkeit der Bilder nicht gefällt, der hält die Wirklichkeit am besten einfach an. Living on Video ist endlich Wirklichkeit!

200 illegale Downloads legal oder: Vorsprung durch Technik

Sicherlich, auch das Hören eines ausländischen Senders zu Nazi-Zeiten vor den Lautsprechern des „Volksempfängers“ (VE301) war rechtswidrig und wurde bestraft. Für das Abhören eines „Feindsenders“ wurde sogar die Todesstrafe angedroht. Zu einem entsprechenden Urteil kam es tatsächlich. In ähnlichem Duktus musste „entartete Musik“ wie „Nigger-Jazz“ den stupiden Klängen der Marschmusik weichen. Die „Gleichschaltung“ erlaubte keine Vielfalt. Weitaus gefahrloser, wenn auch nicht unumstritten bahnte sich der Fernseher den Weg in die Welt-Wohnzimmer. Sicher wurden auch hier öffentliche Falschaussagen und sonstige Fehltritte geahndet, doch das betraf die Akteure, nicht die Konsumenten. Medienkritiker aller couleur gingen zwar auch ihnen an den Kragen, sprachen von „negativem Familientisch“ oder „Nullmedium“, doch beim Fernsehen kann man sich allenfalls „zu Tode amüsieren“. In Zeiten des Web 2.0 ist das anders. Um beim Tod zu bleiben, Internetsucht hat in Korea tatsächlich zu Todesfällen wegen erschöpfungsbedingtem Organversagen geführt, doch die Bestrafung der Nutzung eines neuen Mediums ist das weitaus häufigere Problem. Niemals in der Mediengeschichte wurde der bloße Medienkonsum mehrfach geahndet als zu Zeiten des Internets. Die Macher der Technik scheinen die Rechnung ohne die Macher der Sittesregeln gemacht zu haben. Wer sich im „Kramladen des Glücks“ (Harald Hillgärtner) einen Song herunterlädt, weil er ihn weder in einem Online-Shop noch in einem anfassbaren Weltgeschäft erstehen kann, der kann sich glücklich schätzen, nicht dem "digital divide" ausgesetzt zu sein und an der Informationsgesellschaft partizipieren zu dürfen. Die technischen Möglichkeiten erlauben das Stöbern in unendlich dimensionierten Archiven aller Mediengattungen. Wer die Nutzung dieser technischen Möglichkeiten unter Strafe stellt, der geißelt damit eine Entwicklung, die demnach niemals hätte Wirklichkeit werden dürfen. Doch wie ist es dazu gekommen? Eigendynamik? Müßig darüber zu reden? Richtig, besser die Folgen eindämmen, Selbstkosmetik betreiben. Gesetze verabschieden, „Körbe“ kassieren, die Exekutive bemühen. Die Generalstaatsanwälte der Länder haben nun die Nase voll. Als hätten sie den Sinn der Medienkultur, nämlich technische Weiterentwicklung, Informationskanalisierung, Wissensentfaltung verstanden, haben sie wahrscheinlich nur die Arbeitsentlastung im Sinn. Nichtsdestotrotz beweisen sie gesunden Menschenverstand, ein doch noch ernst zu nehmendes Rechts- und Unrechtsbewusstsein. So schlagen die Generalstaatsanwälte in NRW vor, die Strafverfolgung erst ab 200 illegalen Downloads zu beginnen. Ein weiser Entschluss, lediglich den Banden das Handwerk zu legen. Hausdurchsuchungen bei Teenagern, welche ein neues Medium nichts weiter als nutzen, dürften wohl in keinem Verhältnis zur vorgeworfenen Straftat stehen. Der Volksempfänger sollten dem kleinen Geldbäutel der Menschen Rechnung tragen. Der kleine Geldbäutel von Teenagern scheint also doch ein technisches und rechtliches Pendant zur Seite gestellt zu bekommen. Selbstverständlich sollte das Urheberrecht gewahrt bleiben und das Werk der Künstler respektiert werden. Ab wann man die Grenze des Respekts überschreitet, ist sicherlich schwer zu beurteilen. Sachsen-Anhalt zieht gar die Grenze erst bei 3000 Songs oder 200 Filmen. Ein Gesetz-Entwurf bezüglich der Download-Toleranzen wird denn auch wohl nicht zu erwarten sein. Vielleicht sind ja „Radiotracker“ die modernen Volksempfänger, mit denen man ganz legal sogar aufzeichnen darf, selbst „entartete Musik“. Manchmal sollte man sich über die Folgen eines „Vorsprungs durch Technik“ Gedanken machen, bevor es zu spät ist.