Sonntag, 26. April 2009

Fachtagung: Medienkultur im Wandel

Endlich wird sich einem Thema in großem und offiziellen Rahmen angenommen, dem mehr Aufmerksamkeit gebühren sollte, als ihm bislang geschenkt wurde und dem auch dieses Weblog explizit gewidmet ist: Medienkultur. Nur noch wenige Tage bis zur 54. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft (DGPuK) in Bremen. Und dort geht es genau um "Medienkultur im Wandel", so der Titel. Am 30. April werde ich dort ebenfalls einen Beitrag leisten und einen Vortrag zum Titel: Medienkultur im digitalen Wandel. Autorschaft im Web 2.0 halten, der im Sommer 2008 bereits unter (lustigerweise) gleichem Titel in Buchform erschienen ist. Die Teilnahme freut mich und ehrt mich als Nichtmitglied der Gesellschaft besonders. Die Präsentation steht, ich bin bereit für Bremen, die Tagung kann beginnen! Über meine Eindrücke und neue Erkenntnisse aus der Wissenschaft der Medienkultur werde ich hier berichten.

Im Mittelpunkt der DGPuK Jahrestagung 2009 steht die Auseinandersetzung mit Medienkulturen und deren gegenwärtigen wie auch historischen Wandel. Dabei wird das mit dem Begriff der Medienkultur bezeichnete Phänomen der Mediatisierung von Kulturen bewusst breit gefasst: Medienkulturen bestehen nicht nur als Nationalkulturen, sondern beispielsweise auch als politische Diskurs-, als Populär-, Migrations-, Redaktions- oder Unternehmenskulturen. Medienkulturen sollten also zeitlich, räumlich und sozial differenziert betrachtet und untersucht werden.

Themenfelder der Tagung sind

  • Konzepte der Medienkultur
  • Empirie der Medienkulturforschung
  • Historizität und Aktualität von Medienkulturwandel
  • Medienpolitik, Öffentlichkeit und politische Diskurskulturen
  • Integration, Segregation und Konflikte von Medienkulturen
  • Journalismus-, Produktions- und Organisationskulturen
  • Inhalte, Formate und Diskurse von Medienkulturen
  • Alltag, Rezeption und Sozialisation in Medienkulturen

Hauptvorträge der Konferenz halten


Vgl. Tagungs-Homepage mit PDF-Programm und Abstract-Katalog

Mittwoch, 22. April 2009

Plädoyer für ein "zensiertes" Internet

Unfassbar, worüber in Deutschland diskutiert wird: Zwei Fälle, zwei Entscheidungen. Wobei es im ersten Fall nach zähen Verhandlungen und Streitereien immerhin eine Entscheidung gibt. Die Rede ist (bei Fall 1) von der Sperrung kinderpornografischer Seiten im Internet, zu der Familienministerin Ursula von der Leyen die Provider aufgefordert hat. Die größten deutschen Internetanbieter, darunter die Telekom, Arcor und Alice haben bereits zugestimmt, den Zugriff auf einschlägige Seiten zu blockieren und dem Surfer (der sicher nicht zufällig auf diese Seiten „gerät“) ein Stopp-Schild vor Augen – oder besser vor den Kopf – zu knallen. Nicht nur ist es unfassbar, dass Datenschützer, allen voran ausgerechnet Bundesjustizministerin Brigitte Zypries einen „Grundrechtseingriff in die Informationsfreiheit“ in den Verträgen sehen und damit potentielle Täter in Schutz nehmen wollen, getreu dem Motto: Datenschutz ist Täterschutz! Es ist genau so unbegreiflich, dass eine Sperrung eindeutig illegaler und nicht beschreibbarer Seiten, von denen oftmals bekannt ist, nicht nur dass es sie gibt, sondern auch wo es sie gibt, überhaupt erst jetzt in Erwägung gezogen wurde. Als wäre das nicht schon weltfremd genug, streitet man allen Ernstes darüber, dass auch legale Seiten ins Sperr-Raster fallen könnten. Die Verantwortung wird schnell und einfach dem BKA überlassen, das ohnehin am liebsten alles sperren würde, was mit nackten Tatsachen zu tun hat. Oder wollen sie doch eher alles „offen“ lassen, damit pädophile Surfer überführt werden können? Es wäre ihr gutes Recht, wobei die Strategie natürlich bedenklich wäre, weil immer noch die wenigsten Täter gefasst werden. Nichtsdestotrotz ist die Sperrung erstmal beschlossen, die gesetzliche Verankerung muss folgen. Von der Leyen hat hart gekämpft. Eine Wahlkampftaktik wollen wir ihr in diesem Fall nicht unterstellen, auch wenn es natürlich solch brisante Themen sind, die im Wählergedächtnis haften bleiben. Wenn es Datenschützer und Demonstranten Zensur nennen, dass Kinderpornografie „gestoppt“ wird, oder legale Seiten in Mitleidenschaft gezogen werden könnten – zur Erinnerung: Es gibt Millionen weitere legale Pornoseiten – dann gehört das Internet zensiert!

Kommen wir zu Fall 2, der fast genauso fernab von gut und böse ist – nur betrifft er in diesem Fall das Urheberrecht: Illegale Tauschbörsen. Der Fall Pirate Bay sorgt derzeit für erhebliches Aufsehen, jedoch werden keine Konsequenzen aus den Diskussionen gezogen. Die Betreiber von Pirate Bay sind zu einem Jahr Gefängnis und einer erheblichen Schadensersatzforderung verurteilt worden. Die illegale Tauschbörse aber bleibt am weltweiten Netz. So als tauge sie noch zur Kriminalisierung unzähliger Internetsurfer. Natürlich ist es Schwachsinn, das Wort „jugendlich“ als Schutzbehauptung anzuführen, ebenso wie die Möglichkeit, dass man nicht wissen könnte, dass es sich um illegale Dateien handelt. Dennoch bestünde die Möglichkeit, kriminelle Machenschaften – zu denen solche Plattformen unweigerlich verleiten, und die in Anbetracht von Internetpreisen und der immer weiter fortschreitenden Netzwerkgesellschaft irgendwie auch vertretbar scheinen mögen – zu sperren! Warum tut man das nicht? Warum argumentiert man mit einem Bereitstellungsservice und unterscheidet zwischen Zugangsgewährer und Inhalten?

Neuste Tauschplattformen erheben sogar Geld für den Zugang zu illegalen Daten (wie etwa Firstload). Solche Machenschaften sind besonders perfide, weil sie ahnungslose Internetnutzer irreführen und sie im Glauben lassen, sie hätten eine Pauschale für die Inhalte bezahlt. Man kann es unbedarften Internetnutzern nicht verübeln, wenn sie die Kulturtechnik „Ware gegen Zahlung erhalten“ nicht anders kennen. Eine MP3-Seite aus Russland bietet sogar einzelne Musikstücke gegen einen auffallend geringen Preis an. Mit einem gravierenden Unterschied zu MP3-Stores: Die Daten sind vollkommen illegal, obwohl sie kostenpflichtig sind. Das Web 2.0 lehrt uns gerade neue Techniken, die sich noch in rechtlicher und moralischer Grauzone befinden mögen. Bleiben darf das so nicht. Die neuen technischen Möglichkeiten verlangen nach einer Neujustierung kultureller Kategorien. Sicherlich ist bei brisanten Fragen auch ein offener und demokratischer Umgang geboten. Wenn der aber zu falschen Ergebnissen führt, wurden falsche Diskussionen geführt. Auch hier gilt: Wenn die Sperrung einer kostenlosen Verbreitungsmaschine urheberrechtlich geschützter Werke als Zensur gilt, dann gehört auch hier das Netz zensiert. Es sollte das Diktum gelten: Zensur pro Kultur.

Was wir derzeit in der Internet- und baldigen Realwelt erleben, gleicht einer Farce. Diskussionen sind überflüssig: Kinderporno weg, Tauschbörsen weg (ungeachtet der graduellen Nichtvergleichbarkeit), und wir haben zwei große internetgemachte Probleme weniger. Das verhindert, dass sie zu „hausgemachten“ Problemen werden und eine etablierte Kultur aus den Angeln heben. Denn: Sie sind gerade dabei, genau das zu tun! (Fortsetzung folgt, denn sie muss!)

Mittwoch, 8. April 2009

Obama´s Welt: Der schwarze Messias

Yes, sie ist endlich auch bis nach Irak angekommen – die Obamania! Wie charmant hat er den G20-Gipfel in London verzaubert, wie hat er die Kerzchen auf dem Nato-Geburtstagskuchen in Deutschland und Frankreich zum brennen gebracht. Dann noch die Superstar-Stipvisite nach Prag. Ohne Zweifel: Obama ist der Schwarze Messias. Wenige Tage vor Ostern wird er Innbegriff eines revolutionären Zeitgeistes, wird er Symbol des Aufbruchs, geht er ein in die Historie – schon jetzt. Schuld ist nicht zuletzt die Euphorisierung in den Medien, die sich in diesen Tagen mit Hymen überschlagen. Selbst britische Zeitungen nehmen Michelle die königliche Handgreiflichkeit nicht übel. Dabei ist der schwarze Heilsbringer, der sich gerne mal von Kanzlerin Merkel richtungsweisend – im wahrsten Sinne - am Ärmel ziehen lässt, ein cleverer Stratege: Weg mit dem Bankgeheimnis und den Steueroasen, weg mit den Atomwaffen, Kompromissbereitschaft mit dem Irak – aus dem natürlich nie ein Schulterschluss werden kann -, und nicht zuletzt der Einsatz für die EU-Mitgliedschaft der Türkei (Okay, mit Rasmussen als Gewinn). Im Kern sind diese „Auslandseinsätze“ natürlich „Inlandseinsätze“, sie dienen der guten Stimmung, der Schadensbegrenzung, der Wiedergutmachung. Sie versöhnen den mächtigsten Mann der Welt wieder mit der Welt und zaubern nicht zuletzt ein Lächeln auf die amerikanischen Lippen.
Was sich erst allmählich zeigen wird: Der schwarze Messias verleiht auch den Amerikanern wieder jene Identität, die ihnen nach dem 11. September mit bushesquen Kampfparolen west-wild abgesprochen wurde. Vor allem steht „Obama“ für eine neue Qualität politischer Führung. Sein Führungsstil ist dialektisch, gleicht dem einer Raubkatze, die jedoch äußerst putzig und charmant ist. Mit Paukenschlägen hat er die Welt wach gerüttelt, sie aus der Schockstarre der Krise befreit und wirkungsvoll an seiner Geschichtsbuch-Karriere gearbeitet: Einen Dialog statt einen Kampf der Kulturen ist er gewillt zu führen. Auch wenn er scheitern wird, macht er das, was dringend geboten ist in diesen Tagen: zu handeln. Eine nuklearfreie Welt zu fordern, das macht ihm so schnell keiner nach. Und vor allem hinterlässt er damit auch nach seinem politischen Abtreten und möglicherweise auch nach seinem menschlichen Ableben einen bleibenden Eindruck. Jenseits des Schmetterns versteht er sich auf eine Handlung des Wortes, eine Strategie des Zuhörens, des Zurückhaltens – ja, des bewussten Zurücknehmens. Ganz anders als der „breitbeinige Bush“.
Natürlich hat es der Revolverheld auf dem Golfplatz dem schwarzen Messias aus Reihe zwei leicht gemacht. Doch die politische Führung Obamas beschränkt sich nicht auf eine bloße Negation der Bush-Ära. Sein Führungsstil ist – auch im Vergleich der Weltpolitik – mehrdimensional. Er macht kleine Stilfehler, verhält sich leise und bescheiden, hat dabei stets ein Lächeln auf den Lippen. Dieses schon drückt wenn nicht Überheblichkeit so doch Überlegenheit aus. Sein Charisma verleibt die Gegner ein, weckt Hoffnung, steckt an. Seine Verbal-Rhetorik ist gleichsam von messerscharfer Professionalität – fehlerfrei.
Der Spagat, einerseits auf die Trommel zu hauen, andererseits die Harfe zu zupfen, ist ihm bislang gelungen. Fraglich ist, wie lange er die Tonart solch unterschiedlicher Instrumente bei simultaner Spielweise halten kann. Vor allem dann, wenn sich dem Spiel die Erwartungen des Publikums zugesellen. Es heißt, er könne die Erwartungen an ihn nicht erfüllen. Nun, ein Messias zu sein, dürfte wahrlich nicht jeder "Mann" gelingen. Er kann den Klimawandel nicht aufhalten, die Bankenkrise nicht umkehren, die islamische Welt nicht bekehren. Aber wenn man ihm eines zugesteht, dann wird er seinen rhetorischen Zeichen auch realistische Taten folgen lassen: einfach nur ein Mensch zu sein.