Dienstag, 25. August 2009

Quentin Tarantino´s Rache an der Wirklichkeit

Im neuen Film von Kult-Regisseur Quentin Tarantino mögen sich ein furioser Brad Pitt und ein fragwürdiger Till Schweiger die Klinke in die Hand geben. Beiden stiehlt ein anderer die Show: Der deutsche Schauspieler Christoph Waltz wurde für seine Verkörperung des „zynischen Judenjägers“ und SS-Manns Hans Langa in „Inglorious Basterds“ bei den Filmfestspielen in Cannes mit dem wohlverdienten Darstellerpreis ausgezeichnet. Im Interview mit dem Tagesspiegel äußerte er sich über seinen Regisseur, die Funktion einer Uniform und die Rolle des Films. In Tarantinos Werken spiegelt sich genau das wider, was die niederländische Autorin Nelleke Noordervliet kürzlich auf einer Lesung sagte – auch wenn sie sich auf ein anderes Medium bezieht: „Mein Roman liefert nur eine kondensierte, selektive Wirklichkeit. Aber er eröffnet den Blick auf die wirkliche Wirklichkeit da draußen. Und vielleicht verändert sich die Wirklichkeit des Lesers nach der Lektüre ja auch ein wenig.“ In ihrem Roman „Im Schatten von Pelican Bay“, der sich vor allem mit Schuld und Sklaverei beschäftigt und das 18. Jahrhundert mit der Gegenwart verknüpft, erzählt die Autorin nicht bloß eine Geschichte. Sie setzt sich auseinander mit Geschichte, dem Konflikt zwischen Erster und Dritter Welt, der Frage nach Schuld. All das dient der Suche nach der Wahrheit. Aber handelt es sich hier nicht um einen fiktiven Roman? Sie würde wohl der Antwort des Schweizer Schriftstellers Lukas Hartmann zustimmen, wenn er sagt: „Ich habe ins löchrige Netz der Fakten meine eigenen Fäden eingewoben.“
Und so sind die Filme Tarantinos nicht bloß eine Aneinanderreihung von Filmzitaten, was an sich schon künstlerisch sein kann. Indem er das Groteske der Wirklichkeit (ob vergangen oder gegenwärtig) an die Oberfläche holt, spielt und tanzt er mit ihr, dekonstruiert sie, gibt ihr eine neue Stoßrichtung, entlarvt sie und gibt sie nicht selten der Lächerlichkeit preis. So geschehen im aktuellen Werk „Inglorious Basterds“, in dem es ein Mal mehr um die scheußliche Niedertracht der Nazi-Zeit geht. Doch diesmal machen die Juden Jagd auf die Nazis. Tarantinos Wirklichkeit ist eine andere – und vielleicht zeigt sie ein neues Gesicht der Geschichte. „Tarantino bietet uns eine neue Möglichkeit, die sogenannte Wirklichkeit zu betrachten, und eröffnet eine neue Perspektive auf die Welt – es ist der künstlerische Prozess schlechthin. Die Forschung bestätigt ja zunehmend, dass erst die Perspektive die Wirklichkeit bestimmt. Das ist die Quintessenz dessen, was Kino kann“, sagt Christoph Waltz im Interview. Tarantino selbst, der beim letzten Filmtake das Set aus Trauer vor dem Ende verlassen haben soll, zeugt Waltz Respekt: „Jeder ist anders, zu jeder Minute, und Tarantino kann sich auf jeden einstellen. Er weiß für jeden die richtige Stimmung, die richtigen Gründe, die richtige Kommunikation. Darin ist er ein linguistisches und kommunikatives Genie.“
Im Gegensatz zu anderen Filmdarstellungen der Nazi-Zeit wie bei der enttäuschend hollywoodesken „Operation Walküre“ geht es Tarantino eben nicht nur um die Darstellung, sondern um die narrative Annäherung an Geschichte, die in eben dem Moment des Films neu entsteht. "Inglorious Basterds" ist nichts anderes als Quentin Tarantinos Rache an der Wirklichkeit, ein Feldzug der Vergeltung. Christoph Waltz sagt zu "Operation Walküre": „Solche Filme sind nicht nur kein Kunstwerk, sie sind auch keine Geschichtsbetrachtung. Sie sind, im besten Fall, Unterhaltung. Dadurch entsteht keine Wahrheit, sondern Selbstgerechtigkeit. Wir erklären unsere Geschichte für erledigt, indem wir uns mithilfe solcher Authentizitätsversicherungen auf der richtigen Seite wähnen. Wir lassen die Wunde nicht mehr aufreißen."
Tarantino tut das. Und genau das ist die ganz große Leistung des Ausnahme-Regisseurs, der nicht zuletzt dem Kino selbst eine Wende, ein neues Denken abverlangt. 3D-Leinwände werden ihr Übriges tun. Schon jetzt werden Blockbuster dem Auge mehrdimensional präsentiert und die Filme so produziert, dass sich die 3D-Wirkung besonders eindrücklich zeigt. Nur hilft es nicht, wenn visuelle Dreidimensionalität eine künstlerische, narrative und dramaturgische Eindimensionalität kaschiert.

Donnerstag, 13. August 2009

Informationsfreiheit unter Staatskontrolle

Es ist soweit. Rund 25 Jahre hat es gedauert, bis Politiker und Gesetzeshüter erkannt haben: Das Internet ist nicht nur Informationslieferant und Kommunikationsapparat. Es ist auch ein Verbreitungsinstrument für jedwede Form menschlicher Abgründe, bringt Abartigkeiten und Unvorstellbares an die Bildschirmoberfläche. Macht fremde Grenzerfahrungen im Handumdrehen zu eigenen. Oder wie es der neue Spiegel mit dem Titel „Wir sind das Netz“ schreibt: „So ist das Internet zwar die größte Befreiung des Geistes seit der Erfindung der Buchdruckerkunst, aber zugleich ein Massenspeicher für alle Übel, die Menschen sich ausdenken, vom schlichten Schmutz bis zu den schlimmsten Auswüchsen der Phantasie.“ Dass diesem Umstand Einheit geboten werden muss, ist ebenso undiskutabel, wie kinderpornografische Seiten blockiert werden müssen. Das Grundproblem aber bleibt das Gleiche. Statt den Zugang zu illegalen Inhalten zu verwehren, oder den Bürger gläsern zu machen, sollten die Inhalte selbst bekämpft und ihre Produzenten bestraft werden. Es ist nämlich nicht abwegig, dass Dinge, die einfacher Verfügbarkeit unterliegen auch wahrgenommen, vielleicht sogar aufgesucht werden. Neugierde treibt den Menschen an und ist eine essentielle Disposition für natürliche, menschliche Weiterentwicklung.
Nachdem also die Bundesregierung die Sperrung kinderpornografischer Seiten im Netz gesetzlich verankern will – die zuständige EU-Kommission hat indes das Gesetz noch nicht unterschrieben, rollt nun der zweite Staatsstreich auf die Bürger zu: Die Bundesregierung erwägt, sämtliche Internetnutzer mittels eines „Internetausweises“ kenntlich zu machen und ihn quasi über einen digitalen Fingerabdruck ausfindig zu machen – und zwar bevor er den erste Seite aufgerufen hat. Da ist es dann nur folgerichtig, dass das Surfverhalten dokumentiert wird und eindeutig dem jeweiligen Nutzer zugeordnet werden kann. Was die Gesetzesplaner vergessen: All das ist bereits Internetrealität. Denn über die IP- und MAC-Adresse eines jeden Rechners kann auch jeder Nutzer eindeutig identifiziert und zurückverfolgt werden. Darüber hinaus wurde die Vorratsdatenspeicherung erst im letzten Jahr von drei auf sechs Monate angehoben. Was die Freiheitsbeschneider und IT-Banausen ebenfalls ignorieren: Lange schon ist es gängige Praxis, über im Ausland stehende Proxy-Server blockierte Seiten abzurufen, oder sogar illegale Inhalte über fremde Rechner zu transportieren, ohne dass der PC-Besitzer davon etwas mitbekommt. Waren Vieren früher noch auf größte Aufmerksamkeit bedacht und auf sichtbare Zerstörungswut hin programmiert, sind sie heute auf ganz andere Weise subversiv. Sie agieren im Hintergrund, unsichtbar – und sie machen alles – nur nicht auf sich aufmerksam.
Die Technik war der Gesetzgebung schon immer voraus – im Übrigen auch ihren Nutzern. Nur in einem sind die Regierungen schneller: „Die Schriftsteller können nicht so schnell schreiben, wie die Regierungen Kriege machen; denn das Schreiben verlangt Denkarbeit“, wusste schon Bertolt Brecht. Das Internet ist da, es wurde vom US-Militär mit dem Ziel der dezentralen Datenübertragung geschaffen, gerade damit uneingeschränkte Kommunikation möglich wird. Jetzt wird die Dezentralität zum Damoklesschwert, weil grenzübergreifende Gesetzgebung schwierig zu realisieren ist. Das Kind ist in den Brunnen gefallen. Es herauszuholen scheint zwecklos, denn das Wasser war tief.
Der Spiegel hat zweifellos recht, wenn er schreibt: „Längst ist das Internet ein Paralleluniversum. Die Refugien der Diebe, Rufmörder, Kinderschänder entziehen sich weitgehend der Kontrolle des Rechtsstaats. Nur einer transnationalen Instanz kann es gelingen, Ordnung zu schaffen. Das Ziel: die globale Netzdemokratie.“ Auch in diesem Punkt hat der Spiegel recht: „Während an der Oberfläche des digitalen Reichs tausend bunte Blumen blühen, Shopping, Chats, Schöngeistiges, wuchert im Wurzelwerk darunter ein Pilzgeflecht aus Intrigen, Täuschung und Terror.“. Indem das Netz die Freiheit der Welt vergrößert, bedroht es gleichsam ihren Frieden. Allerdings ist es falsch, die Oberfläche, die Gesellschaft dafür zu bestrafen. Indem man sie in ihren Grundrechten der Informationsfreiheit und der freien Meinung beschneidet, lenkt man das Augenmerk noch weiter weg vom Untergrund. Ihn gilt es zu observieren und auszuheben, mit modernster Technik zu sprengen. Gerade damit die Oberfläche weiß bleibt. Um dem neuen Zeitalter gerecht zu werden, bedarf es zwar auch ein neues Bewusstsein. Doch, statt zu denken, fällen die Verantwortlichen Entscheidungen in Form von Paukenschlägen, die doch nur Ausdruck ihrer Panik sind. Denken ist oberstes Gebot. Die Früchte heutiger Denkarbeit muss ausgefeilte Technik sein, gepaart mit didaktisch und medial vermittelten Bewusstseinsveränderungen. Eine präventive General-kriminalisierung kratzt hier nur an der Oberfläche! Ab in den Untergrund und rein ins kalte Brunnenwasser! Nur so würde das Übel an der Wurzel gepackt und die Freiheit gewahrt!

Sonntag, 9. August 2009

Obama´s Welt: Die demokratische Mission

Just als der frühere US-Präsident Bill Clinton mit den beiden frei gelassenen Journalistinnen den amerikanischen Boden betritt und seine „humanitäre Mission“ für erfolgreich erklärt, übernimmt Obama das Ruder, das ihm elegant, wie von Geisterhand übergeben wurde. Schluss mit dem „provokanten Verhalten“ verschärft er zusammen mit UN-Generalsekretär Ban Ki Moon den Ton und fordert neue Gespräche im Atomstreit mit Nordkorea. Dass sich Kim Jong Il dazu durchringen kann, gilt angesichts der strategischen Vorarbeit Clintons als immer wahrscheinlicher. Auch wenn Hillary Clinton noch mal ausdrücklich betonte, dass es keinen Zusammenhang zwischen der Freilassung der US-Journalistinnen und dem Thema Atomprogramm gebe. Auch für Nordkorea steht indes einiges auf dem Spiel. Das kommunistische Land könnte der internationalen Isolation entkommen, öffneten sie sich für neue Gespräche und ließen sie sich schließlich zu einem atomaren Abrüsten überreden. Das wiederum gilt angesichts der Reketen-Provokationen der vergangenen Monate als weniger wahrscheinlich. Die angestrebten Gespräche der USA sind zumindest ein Schritt in die richtige Richtung.

Unterdessen werden die Töne gegen den kürzlich vereidigten iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad erneut verschärft. Es scheint, als vergesse Obama seine eigenen Worte, wollte er ja vorbehaltlos auf den Iran zugehen. Doch sein neuerlicher Kurs zeigt nur, wie kritisch und komplex die Lage um einen möglichen Dialog mit dem Iran ist. Wie einen Schulterschluss mit Teheran eingehen, wenn der illegitime iranische Machthaber seine Tyrannei fortsetzt und regimekritische Demonstranten in einem zermürbenden Schauprozess zu mehrjährigen Haftstrafen, vielleicht sogar zur Todesstrafe verurteilen könnte. Kein Wunder also, dass die Iran-Politik des Weißen Hauses verwirrt. Vizepräsident Joe Biden würde sich einem israelischen Angriff auf die Atomanlagen Irans nicht in den Weg stellen, Außenministerin Hillary Clinton zeigte sich pessimistisch, dass Verhandlungen mit Teheran ohne Vorbedingungen erfolgreich sein würden, erst recht in Zeiten solch gravierender politischer Unruhen im Land. Es scheint fast so, als seien die Amerikaner nicht überzeugt davon, dass der Iran von seinen Atomplänen abrücken werde. Und das scheint angesichts der angespannten Weltlage genauso unwahrscheinlich wie das atomare Abrüsten Nordkoreas. Die Strategie Obamas zeichnet sich nur langsam ab, doch scheint es immerhin eine zu geben. Die lautet Annäherung ohne Vorbedingungen und ohne Verächtung der Vergangenheit bei gleichzeitiger Erhöhung des politischen Drucks bis hin zur Drohung von Militärschlägen. So muss Iran den Ernst der Lange erkennen und ihm gleichzeitig die Möglichkeit geboten werden, Verhandlungen führen zu können. Dennis Ross, der Iran-Beauftragte im Weißen Haus, der diesen „Hybrid-Ansatz“ schrieb in seinem Buch laut Süddeutsche Zeitung: Damit der Iran auch beim Einlenken sein Gesicht wahren könne, müsse er weiter Uran anreichern dürfen, jedoch unter strenger Überwachung. Diese Strategie scheint insofern sinnvoll, als dass gerade religiös motivierte Machthaber ihre eigene Menschenwürde nicht angetastet wissen wollen, obschon ihre Definition eine andere ist als die westliche.

Die US-Offerten Richtung Osten weiten sich schließlich auch auf China aus. Nur geht es hier weniger um sicherheitspolitische Interessen als um finanzielle. Bei keinem anderen Land stehen die USA so tief in der Kreide wie bei China. Angesichts einer Schuldenhöhe von mindestens 800 Milliarden Dollar können Menschenrechtsverletzungen schon mal bei Seite geschoben werden. Besser kleinlaut sein als vorlaut lautet hier die amerikanische Divise. Die weltpolitische Lage ist angespannter denn je. Machtstrategien kollidieren mit Friedensbemühungen, finanzielle Abhängigkeiten gerade in Zeiten der Krise verengen den politischen Handlungsspielraum. Die USA um Präsident Obama verhalten sich richtig. Wie eine kluge Raubkatze beobachten sie leise ihre Beute, die wenn sie schlau genug ist, nicht am Entkommen gehindert wird. Obama scheint bereit, aus seinen Worten auch Kampfansagen zu machen, wenn es sich nicht vermeiden lässt. Die Gegenseiten sind am Zug!

Donnerstag, 6. August 2009

Obama´s Welt: Ein amerikanischer Traum für alle

Was für ein Sommer für Barack Obama. Nachdem er seinen 48. Geburtstag in Person und seinen ersten im Weißen Haus feiern durfte, und er um ein paar Jeans (so einer der vielen Vorschläge) reicher geworden sein dürfte, holte ihn die bittere Realität schneller ein als ihm lieb war. Auf dem G 20-Gipfel in London im April war die Stimmung noch perfekt, einigte sich Obama mit den Industrienationen darauf, ein Entwicklungspaket von 250 Milliarden Dollar über zwei Jahre zu schnüren. Auch beim G8-Vorzeige-Gipfel in Italien im Juli entschied man einvernehmlich die CO2-Emissionen bis 2020 um 15-30 Prozent zu senken. Auch der Schulterschluss mit Deutschland wurde immer enger: „Sie haben doch schon gewonnen“, war sich Obama im Juli sicher und sah die Kanzlerin auch in der zweiten Legislaturperiode auf sicherem Posten. Ein empfindlich getroffener Bürokrat wie Steinmeier konnte gar nicht anders, als alle Amerikareisen vorsorglich abzusagen. Auf heimischen Boden liegen die Dinge nicht ganz so einfach, lassen sich nicht als Symbolpolitik via Grundsatzrede händeln. Dort braucht es Handlung, so kurzfristig wie möglich. Denn 46 Millionen Amerikaner haben keine Krankenversicherung und brauchen eine, wollen sie behandelt werden. Die Gesundheitsreform dürfte zweifellos das größte innerpolitische Projekt des US-Präsidenten werden. Allen Amerikanern will er eine Krankenversicherung garantieren, doch könnte er dabei an der Kostenfrage scheitern, wie einst Bill Clinton, der das gleiche Wohlwollen verspürte. Fest steht: Ob Finanzkrise oder nicht, finanzielles Scheitern oder Gelingen, es muss etwas passieren. „Nichts tun ist keine Option“, weiß Obama und ist gewillt zu handeln. "Es ist eine Gelegenheit, wie sie vielleicht in Generationen nicht wiederkehrt," sagte Barack Obama am Samstag in seiner wöchentlichen Videoansprache. Deshalb solle der Kongress noch vor der Sommerpause im August ein Gesetz vorlegen, das das Gesundheitssystem der USA von Grund auf saniert. In den kommenden Tagen wird sich zeigen, ob Obama auch als Reformpräsident in die Geschichtsbücher eingehen wird. Das Problem: Die Krankenversicherung ist in den USA ausschließlich an den Arbeitsplatz gekoppelt, allerdings sehen sich viele kleine Unternehmen außer Stande, diese Leistungen für ihre Mitarbeiter zu übernehmen. Wer ein mal eine schwere Krankheit erlitten hat, wird „unversicherbar“. Das soll künftig ebenso geändert werden, wie arme und schwerkranke subventioniert werden und eine gesetzliche Versicherung garantiert bekommen – so zumindest der Plan des Präsidenten. Kostenpunkt: Eine Billion Doller. Einige Senatoren und Kongressabgeordnete unter den Republikanern werden sich erwartungsgemäß dagegen stellen, doch müssen auch sie sich einer Neuregelung des Gesundheitssystems beugen. Ob jedoch die Kostenrechnung aufgeht, und nicht wie bei Clinton 1994 vom Haushaltsbüro des Kongresses zu Nichte gemacht wird, muss sich zeigen. Doch weil Obama keine gänzlich neue Reform, sondern nur Ausbesserung anstrebt, könnte ihm das Gesundheitsprojekt gelingen. Es wäre ein wichtiges Zeichen, mehr noch: Es wäre eine wichtige Tat, ganz allein auf heimischem Boden.
Ein zweites Projekt bringt Obama auf den amerikanischen Boden der Tatsachen: Die Rassismus-Debatte. „Legt die Xbox weg“, riet der Präsident vor wenigen Tagen den Schwarzen Amerikas. Afro-Amerikaner sollten ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen um gesellschaftlich aufzusteigen. "Machen wir uns nichts vor: Die Schmerzen der Diskriminierung sind in Amerika noch immer zu spüren", sagte der erste schwarze US-Präsident zum 100-jährigen Bestehen der Bürgerrechtsorganisation NAACP. Es war die erste große Rede zum Thema Rassendiskriminierung seit seiner Amtsübernahme im Januar. Und sie beweist, dass Obama auch seinen Regierboden nicht aus den Augen verliert – nicht aus den Augen verlieren darf. So will er die Bildungschancen für Schwarze verbessern um ihnen auf dem Arbeitsmarkt die Kluft zwischen Weiß und Schwarz zu verkleinern und findet wie immer wirkungsvolle Worte: „Der amerikanische Traum muss für alle gelten.“ Ein Satz, der wahrlich auch zur Gesundheitsreform passt. Dabei seien auch die Eltern aufgerufen. Sie sollen "die X-Box weglegen und ihre Kinder zu einer vernünftigen Zeit ins Bett bringen". Der Präsident verwies in der Rede natürlich auf seine eigene Biografie. "Ich komme nicht aus einem reichen Haus", sagte Obama, dessen Mutter alleinerziehend war. "Ich hatte einigen Ärger als Kind. Mein Leben hätte leicht in die falsche Richtung gehen können. Aber meine Mutter hat mir Liebe gegeben, sie hat für meine Bildung gesorgt. Dank ihr hatte ich die Chance, das Beste aus meinen Fähigkeiten zu machen." Obama wirkt glaubwürdig. Und mit dem Glauben lässt sich ja bekanntlich...