Samstag, 9. August 2008

Fernsehen zum Nachsehen und die Fürbitte des Digitalen

Was ich gerade tue? Ich sehe Fern während ich schreibe. Außerdem schreibe ich während ich Fern sehe. Das Programm läuft nicht ohne mich weiter. Ebenso wie die Buchstaben nicht von alleine getippt werden, wechseln auch die Bilder nicht alleine einander ab. Sie stehen still. Keiner rührt sie an, so lange ich sie nicht bewege, sie weiter laufen lasse. Während die Buchstaben auf mich warten, in eine sinnvolle Reihenfolge gebracht zu werden, sind die Bilder bescheidener. Sie warten nur auf mein "go", auf mein "play". Sie laufen dann weiter von alleine. Denn sie können schon laufen. Das haben sie bereits 1832 gelernt, als der Deutsche Simon Stampfer und der Belgier Joseph Plateau das "Lebensrad" erfanden. Seitdem läuft das Bild unaufhörlich weiter, fast so wie das Riesenrad, das im Wiener Prater seit 1897 unaufhörlich seine Runden dreht. Nur heute - 2008 - da werden sie endlich gestoppt, die Bilder. Das Zapping geht in die zweite Runde. Zu ihm gesellt sich das "Stopping". Das Drag & Drop des Web 2.0 ist das Zapp & Stopp des Digitalen Fernsehens. Der Videorekorder revolutionierte 1954 das Sehen, indem er Aufzeichnungen und das "Nachsehen" erlaubte. Heute heißt er Festplatte. Die "Media Receiver" dieser Welt erlauben das aktive Eingreifen in die Wirklichkeit der bewegten Bilder. Fortan wird sie manipulierbar. Die hier lesbaren Buchstaben nähern sich einem Stoppzeichen, dem Punkt. Die Bilder warten auf ihr Weiterleben, ich drücke einfach die Play-Taste des Live-Fernsehens. Was die anderen Menschen lange gesehen haben, lässt in meiner Realität lange genug auf sich warten. Ich werde "nachsehen", ob noch alle Bilder an ihrem Platz sind; da wo ich sie eben verlassen habe. Wenig später werde ich meinen Fernseher sogar bitten. Wenn er meine Bitte - die fast einer Fürbitte gleicht - erhört, wird er mir ein Video schenken. Er wird es sich beim scheinbar viel größeren Bruder Web 2.0 ausleihen, wird es mir gegen eine kleine Gebühr von lächerlichen Euros schenken und es dann seinem Bruder spätestens nach 24 Stunden "unversehens" zurückgeben. Video on demand heißt die Fürbitte des Digitalen. Pay per view erklärt das Carpe Diem zum höchsten Prinzip. Und wem die Wirklichkeit der Bilder nicht gefällt, der hält die Wirklichkeit am besten einfach an. Living on Video ist endlich Wirklichkeit!

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