Montag, 19. Oktober 2009

Frankfurter Buchmesse: Angst vor dem E-Book

Die Krise hat auch die Buchmesse in Frankfurt erreicht. Aber es gibt weder zu wenig gute Bücher noch gibt es zu wenig interessierte Leser. Die Krise betrifft das Dazwischen. Wie kann man Leser und Bücher über unterschiedliche Kanäle zusammenbringen? Und wie lässt sich dabei obendrein noch etwas verdienen? Antworten auf die Fragen verlangen nach einem Umdenken, nach einer Auflösung festgefrorener Strukturen, die einem von Bewegung abhängigen Buchmarkt die Dynamik entzieht. E-Book heißt das Gebot der Stunde. Gerade schon aus der Taufe gehoben, gilt es fast schon als Mythos. Es ist ein neues Medien-Dispositiv zwischen Hoffnung und Bangen. Vielen Verlegern treibt das E-Book gar die Angstperlen auf die Stirn - aus Sorge vor Urheberrechtsverletzungen durch illegale Downloads. Angesichts einer überschaubaren Zahl von 65.000 verkauften E-Books in Deutschland im ersten Halbjahr dieses Jahres, ist das E-Book bislang ohnehnin kein Frontalangriff auf das „physische Buch“ (zum Vergleich: In den USA werden 10 Mal so viele pro Woche verkauft). Vielmehr müssen beide Medienformen, das gedruckte und gescannte Buch eine sinnvolle Verbindung eingehen. Das pünktlich zur Buchmesse in Deutschland erhältliche Lesegerät „Kindle“ von Amazon ist ein wichtiger Schritt in die mediale Zukunft. Jedoch muss sich der Reader hinsichtlich Komfortabilität und Alltagstauglichkeit erst noch bewähren. Die Buchmesse muss zum Anlass genommen werden, einen öffentlichen Diskurs über digitalisierte Bücher und elektronische Formate zu führen. Zudem müssen Strategien für die Eindämmung der illegalen Nutzung entwickelt werden. Es schadet keineswegs, wenn sich die neue Regierung unter Kanzlerin Merkel dieses Projekt auf die Fahnen schreibt, denn nach Milliarden Einbußen auf dem Musikmarkt durch illegale Downloads droht nun das gleiche Dilemma für eingescannte Buchtitel. Auch diese können über einschlägige Filesharing-Programme mühelos aus dem Netz heruntergeladen werden. Viele E-Book-Verlage versuchen den illegalen Anbietern gleich den Wind aus den Segeln zu nehmen und gleichzeitig das neue Medium E-Book den potentiellen Käufern näher zu bringen: Indem sie kostenlose Downloads ganzer Bücher auf den Verlagspages anbieten. Diese Präsente sind ganz nett, aber auch hier ist fraglich, ob sie nachhaltigen Erfolg bringen werden.
Auf der ersten „Tools of Change“ (TOC-) Konferenz am Rande der Frankfurter Buchmesse, auf der unter der Schirmherrschaft von Web 2.0-Erfinder Tim O´Reilly über die Digitalisierung des Buches diskutiert wurde, lautete denn auch die zentrale Botschaft: We just don´t know. Es gibt bislang noch keine Zahlen über einscannte Buchtitel, illegale Downloads und vor allem über deren Auswirkungen auf das traditionelle Buchgeschäft. Und zum Zahlenmangel gesellt sich der Erfahrungsmangel. Wie wird sich das E-Book entwickeln, welches Standartformat wird sich etablieren, welches Lesegerät wird sich durchsetzen, und gibt es in Europa überhaupt einen Markt für das elektronische Buch, eine Leserschaft, die wie in den USA ihr Geld auch für E-Books auszugeben bereit ist? Wie bereits erwähnt, sind 65.000 hierzulande verkaufte E-Books nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Die zentrale Frage muss lauten: Wie kann man potentielle Käufer für das Medium E-Book nicht nur gewinnen, sondern sie auch begeistern: Ein paar Punkte könnten etwa sein: 1. Das E-Book auf dem Reader gelesen, vergilbt, verknickt, verblasst nicht. Es ist dauerhaft archivierbar. Sofern eine sichere Datenhaltung garantiert ist. 2. Es kann auf dem beleuchteten Display vielleicht komfortabler gelesen werden, als ein Buch im Halbdunkel des Zuges. Die Taschenlampe unter der Bettdecke hat also ausgedient. 3. Der Reader ist leichter als das Buch. Und er beherbergt nicht nur ein einzelnes Buch, sondern hat Platz für eine ganze Bibliothek. Das Bestreben, das gesamte Weltwissen portabel zu machen, trägt die ersten Früchte. Die Hochleistungsscanner von Google laufen auf Hochtouren. Die Anwälte und Verlagschefs geben sich millionenfach die Klinke in die Hand. 4. E-Books sind größtenteils günstiger als gedruckte Bücher und könnten so mehr Käufer anlocken. 5. Sie könnten zudem attraktiver sein, wenn die Verlage – wie bei DVDs - Bonusmaterial zusätzlich anbieten würden. 6. Schließlich trägt der Reader multimedialen Anforderungen Rechnung, und kann Text ebenso wie Hörbücher und Bildmaterial abspielen. So könnte Lesen in Zukunft zu einem multimedialen, alle Sinne ansprechenden Erlebnis werden, wenn man seine Vorteile in einer digitalen Leseumgebung zu nutzen weiß. In diesem Zirkus sind alle Akteure gefragt: Verleger, Politiker, Juristen, Marketingstrategen, Programmierer, Wissenschaftlicher, Psychologen… und schließlich die Leser selbst. Bleibt nur zu hoffen, dass Apple und Konsorten nicht auch noch einen Reader mit Telefonfunktion auf den Markt werfen. Das würde auch dem E-Book schon den Garaus machen, bevor es sich etabliert hat.

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