Donnerstag, 4. Juni 2009

Wolfram Alpha: Willkommen im Web 3.0

Bis die Maschine fühlen kann, wird es noch etwas dauern. Aber sie ist auf dem besten Wege dahin. Denn Fragen beantworten kann sie schon. „Antwortmaschine“ nennen Spiegel und Süddeutsche die Erschaffung des englischen Elite-Physikers Stephen Wolfram. Und die sorgt seit einigen Wochen weltweit für Wirbel. Es scheint, als bekomme Suchmschinen-Monopolist Google ernsthafte Konkurrenz. Aber ist dem wirklich so, oder entpuppt sich die Antwortmaschine als ein weiterer vergeblicher Versuch, Google das Digitalwasser zu reichen?

Wolfram Alpha, so der offizielle Name des Suchdienstes greift auf firmeneigene Datenbanken zurück, betrieben von Wolfram Research. Auf ihre Inhalte werden Algorithmen angewendet, die Antworten auf Nutzerfragen generieren sollen. Echte Antworten auf Fragen? Fachkundige erkennen schell, dass die Crux in den Fragen stecken muss. So wie auch die Antworten bei Google von den Formulierungen und Zeichensetzungen abhängen – Viele Nutzer stellen gerne Anfragen auf eine Weise, die eine gewünschte Antwort nahe legt. Zur Suchnachfrage „Krebs ist tödlich“ erhält der Nutzer mindestens genauso viele Antworten wie zur Anfrage „Krebs ist nicht tödlich“. Das Problem dahinter ist, dass diese sprichwörtliche Halbwahrheit für die Nutzer nicht selten als Weisheit genommen wird – getreu dem Motto, was nicht im Internet steht, ist nicht. Schon jetzt bahnt sich an, dass sogar Literatur, die nicht im Internet aufgeführt wird, aus dem kollektiven Gedächtnis verschwinden wird.

David Talbot machte für das Technik-Magazin des Massachusetts Institute for Technology, Technology Review den Test und ist dabei eindeutigen Fragestellungen aus dem Weg gegangen. Während Alpha auf die Anfrage „Sydney New York“ eine Fülle von Tabellen mit geografischer Lage, Flugrouten, Bevölkerungsgrößen und Uhrzeiten liefert, gibt Google hauptsächlich New Yorker Firmennamen aus, die das Wort „Sydney“ enthalten oder Buchungsformulare für einen Flug von Sydney nach New York. Während Alpha auf die Frage „Krebs New York“ allerdings das Sternzeichen im „Sinn“ gehabt haben muss und anzeigt, wo es im New Yorker Nachthimmel zu sehen ist, liefert Google ein Krebs-Register, Anlaufstellen und eine Informationsseite der New Yorker Gesundheitsbehörde. Schnell wird klar: Wenn der Computer überhaupt jemals selbstständig sinnvolle Zusammenhänge herstellen oder gar Fragen beantworten können wird , dann wird es wohl noch eine Weile dauern. Nach ersten Einschätzungen wird Wolfram Alpha die Welt nicht so stark verändern, wie es Google getan hat. Und natürlich hat Google schon einen eigenen Dienst angekündigt, der auf ähnliche Weise funktionieren wird wie Wolfram Alpha. Wir stehen scheinbar vor einem digitalen Wettrüsten, bei dem es vor allem darauf ankommt, wer die meisten Daten gesammelt hat und vor allem, wie er sie verwertet. Dabei muss dem Computer gelingen, die Absichten des Nutzers zu erlernen und zu „verstehen“. Doch im Gegensatz zum Kalten Krieg kann das digitale Wettrüsten am Ende dem Nutzer nützen. Momentan ist die neue Antwortmaschine nicht das, was sie verspricht. Sie hat jedoch das Potenzial, nach dem erfolgreichen Web 2.0 zu einer nächsten Bewusstseinsstufe zu leiten: In Zukunft gibt es nicht mehr nur den Nutzer (Web 1.0) und den Autor (Web 2.0), sondern auch computereigene Datengenerierung – das „semantic web“ (Web 3.0). Mehr als eine „sinnvolle“ Datenverknüpfung, eine Art wohlklingende digitale Komposition ist aber bislang nicht in Sicht.

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